Jahresbericht 2024 GSI Ostschweiz
Der deutsche Maler Kurt Schiering (1886-1918) reiste 1910 durch Griechenland, Ägypten, Syrien und Palästina. In Palästina hielt er sich mehr als fünf Monate auf und malte in Jerusalem und Umgebung, am Jordan und am Toten Meer. Anlässlich dieser Reise entstand auch das Aquarell der betenden Juden an der Klagemauer. Das Besondere an dieser Darstellung ist, dass auf der linken Seite noch Teile des fast unmittelbar an die Westmauer gebauten Maghrebinerviertels zu sehen sind. Dessen 135 Häuser wurden nach dem Sechstagekrieg von 1967 abgebrochen, wodurch der heute bestehende Platz (Western Wall Plaza) entstand.
Einleitende Ansprache anlässlich der 19. ordentlichen Mitgliederversammlung
vom 12. Mai 2025
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der GSI Ostschweiz Ich begrüsse Sie recht herzlich zur 19. ordentlichen Mitgliederversammlung der Gesellschaft Schweiz-Israel Ostschweiz. Es ist dies bereits die zweite Mitgliederversammlung unserer Gesellschaft nach den verheerenden Anschlägen vom 7. Oktober 2023. Vor einem Jahr schon beschäftigte uns die Frage nach dem stark progredienten, weltweiten Antisemitismus. Und wieder spielt der dieses Jahr in Basel ausgetragene ESC, der Eurovision Song Contest, eine zentrale Rolle. So konnte man vor ein paar Tagen in allen Zeitungen lesen, dass der letztjährige Schweizer Sieger Nemo sich gegen die Teilnahme Israels am ESC ausspricht. Israel wird dieses Jahr von der 24 Jahre alten Sängerin Yuval Raphael vertreten, einer Überlebenden des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023. Vor einem Jahr war es die israelische Sängerin Eden Golan, die jedesmal, wenn sie ins Bild kam, ausgebuht und ausgepfiffen wurde. Gestern Sonntagnachmittag traf dieses Schicksal Yuval Raphael. Als die Sängerin den türkisen Teppich vor dem Basler Rathaus betrat, um für ein Foto zu posieren, skandierten mehr als 100 Pro Palästina Demonstranten «Shame on you» und reckten den Mittelfinger nach oben. Später warfen sie sich vor das Tram, in dem Raphael sass, und mussten von der Polizei weggeführt werden.
Dass so etwas ausgerechnet in Basel passieren konnte, ist eigentlich unvorstellbar, spielte doch Basel eine zentrale Rolle bei der Entstehung Israels. Im Stadtcasino Basel fand 1897 auf Initiative von Theodor Herzl, dem Hauptbegründer des politischen Zionismus, der erste Zionistenkongress statt. Herzl hatte ein Jahr zuvor das Buch Der Judenstaat publiziert, in dem er seine Ideen einer eigenen jüdischen Nation vorstellte. Bis 1946 folgten neun weitere Zionistenkongresse. Keine Stadt ist so eng mit der Gründung Israels verbunden wie Basel. Und dass sich der Protest ausgerechnet gegen eine Überlebende des Oktober-Massakers 2023, dem grössten Verbrechen an Juden seit der Shoa, richtete, ist perfid und dumm. Man stelle sich vor, die am 9. Mai 2025 im Alter von 103 Jahren verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer wäre bei einem ihrer zahlreichen Auftritte vor Schülern und weiteren Interessierten in Deutschland so behandelt worden. Unvorstellbar!
Mir scheint, der Hass auf Israel und alles Jüdische nehme immer noch zu. Man darf es nicht beschönigen: die Vorgehensweise der israelischen Armee im Gaza-Streifen ist kompromisslos hart, die Regierung Netanyahu agiert vielfach ungeschickt. Aber Israel muss sich verteidigen, es kann es sich nicht leisten, einen Krieg zu verlieren. Ich beziehe mich hier auf eine Aussage des Zürcher SP-Ständerats Daniel Jositsch, der auf Einladung der GSI Ostschweiz am 25. November des letzten Jahres vor unserer Gesellschaft ein bemerkenswertes Referat hielt. Die meisten Länder haben schon einmal einen Krieg verloren und existieren dennoch weiter. Man denke nur an Nazi-Deutschland, das genau vor 80 Jahren bedingungslos kapitulieren musste und am Boden lag. Heute ist Deutschland wieder die wichtigste Industrienation von Europa. Würde Israel einen Krieg verlieren, gäbe es dieses Land nicht mehr. «From the river to the sea palestine will be free», der Leitspruch der weltweiten Anti-Israel-Demonstrationen, bedeutet nichts anderes als die Auslöschung des Staates Israel und die Vertreibung aller Juden.
Und der Feinde werden immer mehr. Jetzt schaffen es sogar die jemenitischen Huthi-Rebellen – natürlich mit der Unterstützung des Iran –, Raketen über mehr als 2000 Kilometer Entfernung nach Israel zu schicken und auch zu treffen. Ich musste das vor einer Woche selber erleben, als ich meine in Israel lebende und zum jüdischen Glauben konvertierte Tochter besuchen wollte. Am Sonntagmorgen des 4. Mai schlug eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete in der Nähe des Flughafens Ben Gurion ein. Diese hatte von der israelischen Luftabwehr nicht abgeschossen werden können und erreichte ihr Ziel. Es gab zahlreiche Verletzte. Die Swiss stellte daraufhin sofort den gesamten Luftverkehr nach Israel ein. Mein Flug wurde annuliert, und ich konnte wieder nach Hause fahren.
Vor diesem Hintergrund kann man auch die manchmal überhart erscheinende militärische Vorgehensweise der Israeli zu verstehen versuchen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Israeli und den Palästinensern dauern nun schon über hundert Jahre, und ein Ende ist nicht in Sicht. Der israelische Schriftsteller Amos Oz (1939-2018) nennt diesen Konflikt eine «blutende Wunde, nicht nur eine blutende Wunde, sondern eine infizierte Wunde voller Eiter, die inzwischen schon zu einem Abszess geworden ist». Und die Welt hat sich schon längst mit dieser blutenden Wunde im Nahen Osten abgefunden, auch damit, dass es wohl kaum je eine befriedigende Lösung für beide Parteien geben wird. Und seit dem 7. Oktober 2023 erst recht nicht. Vielleicht können wir, als Gesellschaft Schweiz-Israel, als Freundschaftsverein, etwas zum Verständnis dieses wunderbaren Landes am Ostufer des Mittelmeers beitragen.
Vorstand
Der Vorstand setzt sich aus folgenden Personen zusammen (in alphabetischer Reihenfolge):
Rolf Blumenfeld, Finanzverantwortlicher; Christoph Bühlmann; Jennifer Deuel; Dr. Max Lemmenmeier, Programmchef, Vertreter der GSI St.Gallen im Zentralvorstand; Kristofer Roelli, Vizepräsident; Dr. Daniel Studer, Präsident. Der Vorstand
traf sich zu vier Sitzungen.
Mitglieder
Die GSI Ostschweiz zählte am 31. Dezember 2024 111 Mitglieder.
Veranstaltungen
Im Berichtsjahr organisierten wir nebst der Hauptversammlung drei Veranstaltungen, die alle gut besucht waren.
Am 27. Februar 2024 veranstalteten wir unter dem Titel «Glaube, Krieg und Frieden – die Quadratur des Kreises» eine Podiumsdiskussion zum Einfluss der drei monotheistischen Religionen auf Politik, Kultur und Gesellschaft im Nahen Osten». Teilnehmer waren der Islamwissenschaftler Dr. Abdel-Hakim Ourghi von der Universität Freiburg i.Br., Prof. Dr. Erik Petry von der Universität Basel, wo er für den Fachbereich jüdische Studien verantwortlich ist, und die Theologin und SRF-Journalistin Dr. h.c. Judith Wipfler aus Zürich. Geleitet wurde die Diskussion von Yves Kugelmann, dem Chefredaktor des Wochenmagazins Tachles in Zürich. Die hochkarätige Veranstaltung kann wohl als eine der besten in der Geschichte der GSI Ostschweiz bezeichnet werden!
Die Mitgliederversammlung vom 13. Mai 2024 fand im Theater Trouvaille statt. Der Apéro riche mit israelischen Köstlichkeiten im Anschluss war von Barbara Ovadia zubereitet worden. Dazu unterhielt uns Shlomo Tichokinski, der Rabbiner
der jüdischen Gemeinde St.Gallen, auf seinem Akkordeon. Am 19. September 2024 organisierten wir einen Vortrag des Militär-Experten Dr. Ariel Wyler. Der Referent, selber Oberst i. Gst., gab einen Einblick in den heutigen Zustand und die Entwicklung der israelischen Armee. Speziell ging er dabei auf die Frage ein, ob diese auch zukünftig in der Lage sein würde, das stark bedrohte Land zu verteidigen und ob der Krieg im Gaza-Streifen überhaupt zu einem Sieg Israels führen könne.
Am 25. November 2024 war der bekannte Politiker und Rechtsprofessor Daniel Jositsch für ein Referat vor unserer Gesellschaft in St.Gallen zu Gast. Der Zürcher SP-Ständerat Jositsch hat jüdisch-ukrainische Wurzeln, sein Urgrossvater liess sich 1913 in Geroldswil unter dem Namen Benjamin Josselowitsch einbürgern. Daniel Jositsch sprach zum Thema „Demokratie und Parlamentarismus in der Krise? Ein Vergleich von Israel und der Schweiz“.
Es ist dies heute meine letzte Vorstandssitzung als Präsident, und ich schliesse mit einem Zitat von Amos Oz. In seiner letzten, im Juli 2018 an der Universität von Tel Aviv gehaltenen Rede äusserte er sich u.a. auch zur Gründung eines Einheitsstaates. Besonders kritisch stand er einem multinationalen oder binationalen Staat gegenüber:
«Es gibt heute genau sechs Beispiele für erfolgreiche multinationale Staaten. Ich kann sie auswendig aufzählen: die Schweiz, die Schweiz, die Schweiz, die Schweiz, die Schweiz, und dass ich es nicht vergesse, auch noch die Schweiz. Alle anderen sind auseinandergebrochen oder in Strömen von Blut untergegangen.»
Amos Oz, Die letzte Lektion. Ein Leitfaden für die Zukunft (= letzte, im Juli 2018 an der Universität von Tel Aviv gehaltene Rede). Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Suhrkamp Berlin 2020.
Dr. Daniel Studer, Präsident GSI Ostschweiz
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