35. Regierung vereidigt
Während der vierstündigen Plenardebatte, die der Vereidigungszeremonie vorausging, stellte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) die Mitglieder der 35. Regierung Israels (Bild 13) und ihre grundlegenden Richtlinien vor und sagte: «Wir haben beschlossen, eine Einheitsregierung zu bilden und eine vierte Wahl zu vermeiden, die zu Spaltungen geführt und 2 Milliarden NIS verschwendet hätte. Die Öffentlichkeit wollte eine Einheitsregierung und wird eine erhalten».
Die Sondersitzung des Parlaments fand in Anwesenheit von Staatspräsident Reuven Rivlin (Bild 2) und der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Chajut (Bild 3), statt.
Ausführungen des Ministerpräsidenten
Bei der Eröffnung seiner Rede wandte sich Ministerpräsident Netanjahu (Bild 4 ) an den Vorsitzenden des Bündnisses Blau-Weiss, Benny Gantz, und sagte: «Wir haben während der Operation Protective Edge (israelische Militäroperation im Gazastreifen wegen des anhaltenden Raketenbeschusses Südisraels; 8.7.2014 bis 26.8.2014, Anm. d. Red.) zusammengearbeitet, ich als Premierminister, Sie als Generalstabchef, und ich bin sicher, dass wir in dieser neuen Regierung im Dienste aller Bürger Israels gut zusammenarbeiten werden».
Gemäss der Koalitionsvereinbarung zwischen dem Likud und der Parlamentsfraktion Blau-Weiss wird Benjamin Netanjahu in den ersten 18 Monaten der Amtszeit als Premierminister fungieren und Benny Gantz als stellvertretender Premierminister und Verteidigungsminister (Bild 1). Dieser wird dann für die die zweite Hälfte der Amtszeit der Regierung das Amt des Premierministers übernehmen, während Netanjahu als stellvertretender Premierminister fungieren wird. Premierminister Netanjahu sagte, der Termin für die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Gantz sei auf den 17. November 2021 festgelegt worden.
Zusätzliche Kosten für Einheitsregierung geringer als jene für 4. Wahl
«Dies ist ein wichtiger Tag für den Staat Israel», erklärte Premierminister Netanjahu weiter. «Die neue Regierung wurde durch den Willen der meisten israelischen Bürger gebildet, und sie wird allen Bürgern Israels dienen: Juden und Nichtjuden. Mit grosser Verantwortung haben Benny Gantz und ich beschlossen, gemeinsam auf die Bildung einer Notstandsregierung und die nationale Einheit hinzuarbeiten, um eine weitere Wahl innerhalb eines Jahres zu vermeiden. Der Staat Israel hat drei Wahlkampagnen hinter sich. Sie haben die Polarisierung innerhalb der Nation vertieft und dem Staat einen hohen Preis aus der Staatskasse abverlangt.
«Wären wir in eine vierte Wahl gegangen – die zusätzlichen Kosten hätten sich auf 2 Milliarden NIS belaufen. Die zusätzlichen Kosten für eine Einheitsregierung belaufen sich auf 85 Millionen NIS pro Jahr, was unendlich viel niedriger ist als die Kosten für eine weitere Wahl», sagte Premierminister Netanjahu. «Das wäre eine echte Verschwendung gewesen. Es hätte uns gezwungen, den Fallout des Coronavirus auf ein unbestimmtes Datum zu verschieben».
Corona-Krise als Herausforderung für die neue Regierung
In Bezug auf die Corona-Krise, die in den grundlegenden Leitlinien der neuen Regierung erwähnt wird, stellte Premierminister Netanjahu fest, dass sie weltweit Hunderttausende von Menschenleben gefordert hat, «und deshalb haben wir beschlossen, unsere Differenzen beiseite zu legen und Schulter an Schulter zu stehen, um uns den grossen Herausforderungen der Corona-Pandemie zu stellen». Premierminister Netanjahu betonte, dass der Kampf gegen das Virus «erst dann beendet sein wird, wenn ein Impfstoff gefunden ist», und warnte vor der Möglichkeit einer zweiten Welle, die die Welt, einschliesslich Israels, treffen könnte, wie es vor 100 Jahren bei der Spanischen Grippe der Fall war.
«Daher wird der erste Schritt der Einheitsregierung darin bestehen, einen Corona-Kabinettsausschuss einzurichten, um die Antwort auf die Herausforderung einer zweiten Welle vorzubereiten», sagte der Ministerpräsident. Im Hinblick auf die durch die Pandemie verursachte Wirtschaftskrise sagte er, die neue Regierung werde Mittel bereitstellen, um «den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern, Stabilität zu gewährleisten und das Wachstum wieder anzukurbeln, das Ihnen, den Bürgern Israels, einen Horizont und Hoffnung gibt».
Gegen Bedrohungen von aussen
Ministerpräsident Netanjahu erklärte, die neue Regierung werde weiterhin «Bedrohungen für den Staat Israel vereiteln und beseitigen», die, so sagte er, während der Korona-Krise «nicht einmal für einen Tag» aufgehört hätten. Israel werde weiterhin die Versuche des Iran, sich militärisch in Syrien zu etablieren, «ebenso wie seine Versuche, Atomwaffen zu erwerben», bekämpfen.
«Wir werden auch den ungeheuerlichen Versuch des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag bekämpfen, einen Versuch, der sich leider in letzter Zeit verstärkt hat, unsere Soldaten und den Staat Israel der Kriegsverbrechen zu beschuldigen, für das ‹schreckliche Verbrechen› des Baus von Kindergärten in Gilo und unserer Rückkehr nach Shilo, Beit El und Hebron», erklärte er.
Premierminister Netanjahu sprach auch die Möglichkeit einer Annexion an und sagte: «Diese Regionen sind die Wiege des jüdischen Volkes. Es ist an der Zeit, das israelische Gesetz auf sie auszudehnen. Dieser Schritt wird uns nicht weiter vom Frieden wegbringen, er wird uns näher bringen. Die Wahrheit ist, und jeder weiss es, dass die Hunderttausende von Siedlern in Judäa und Samaria, unsere Brüder und Schwestern, immer Teil eines dauerhaften Friedensabkommens bleiben werden, und es ist an der Zeit, dass das palästinensische Volk, und auch die Menschen in diesem Haus, dies erkennen.
"Es ist an der Zeit, dass jeder, der an die Gerechtigkeit unserer Rechte im Land Israel glaubt, sich einer von mir geführten Regierung anschliesst, um gemeinsam einen historischen Prozess herbeizuführen», sagte Netanjahu. Das Thema steht «nur deshalb auf der Tagesordnung, weil ich persönlich gehandelt habe», fügte der Premierminister bei.
Benny Gantz: «Eine Regierung des ganzen Volkes»
Der stellvertretende Premierminister Gantz (Bild 5) , der nach Ministerpräsident Netanjahu sprach, sagte, die Bildung der neuen Regierung beende «die schlimmste politische Krise», die Israel je erlebt habe und fügte hinzu, dass es nun, da eine neue Regierung gebildet worden sei, an der Zeit sei, diese Ära der Zersplitterung und Aufwiegelung zu beenden und die Ära der Einheit und Versöhnung zu beginnen.
In seiner Rede sagte Benny Gantz, dass die neue Koalition auch ein Ende der «Regierung von nur der Hälfte des Volkes» bedeute. Dies sei «eine Regierung des ganzen Volkes», sagte er.
«Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren drei Wahlkämpfe durchgemacht», sagte er vor dem Plenum weiter. «Das Volk hat gesprochen und uns, den Führern von beiden Seiten des Hauses, die Wahl gelassen, uns entweder für die Einheit oder für eine Form des Bürgerkriegs zu entscheiden. Das Volk sagte uns: ‹Hört auf, untereinander zu kämpfen, und fangt an, für uns zu arbeiten. Ich, Premierminister Netanjahu und 71 andere öffentliche Bedienstete beschlossen, nationale Verantwortung zu übernehmen», sagte Gantz.
«Dies ist eine gleichberechtigte Regierung, eine Regierung des Gleichgewichts und der Bremsen. Ich und meine Kollegen haben sich für die Einheit entschieden, um die Bürger Israels nicht nur vor den Herausforderungen ausserhalb unserer Grenzen zu schützen, sondern auch vor dem Hass, der im Inneren erodiert und die innere Widerstandsfähigkeit, die für unsere Sicherheit lebenswichtig ist, schädigt», sagte er.
«Wir haben uns für die Einheit in einer Zeit entschieden, in der Beamte bedroht werden und Linien gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf der linken und rechten Seite überschritten werden.»
Stimme der Opposition
Der designierte Oppositionsführer, Knessetmitglied (MK) Jair Lapid (Jesch Atid-Telem; Bild 6) sagte in seiner Rede: «Heute hat dieses Gebäude das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit verloren. Die Menschen hassen Politiker, sie hassen die Politik. Sie glauben nicht, dass Politik Werte repräsentiert. Sie glauben definitiv nicht, dass sie für ihr Leben relevant ist. Sie haben Recht. Die Politik nimmt ihr Geld und gibt ihnen nichts zurück. Es gibt keine Verbindung zwischen Politik und dem wirklichen Leben der Menschen».
MK Lapid kritisierte die Grösse der Regierung, der grössten in der Geschichte Israels, und sagte: «Der Coronavirus ist eine Ausrede für eine korrupte Partei auf Kosten der Steuerzahler».
«Nach all dem leeren Gerede von einer ‹Notstandsregierung› ist die Regierung, die heute gebildet wird, die grösste und verschwenderischste in der Geschichte des Landes. 36 Minister, 16 stellvertretende Minister. Das nennen Sie eine Notstandsregierung? 52 Ämter. In Israel gibt es weniger als 50 Coronavirus-Patienten an Beatmungsgeräten; wir haben mehr Minister und stellvertretende Minister als Patienten an lebenserhaltenden Massnahmen. Wir könnten einen Minister oder stellvertretenden Minister neben jedes Bett setzen und hätten immer noch zwei übrig», sagte er und fügte hinzu, dass «Israelis Besseres verdienen».
Jair Lapid gelobte, dass die Opposition «hier sein wird, um Sie daran zu erinnern, dass es auch anders gehen kann. Es gibt eine Alternative, eine andere Führung. Nicht eine Führung, die sich nur um ihre eigenen Arbeitsplätze und Sitze kümmert. Eine Führung, die sich den Werten und dem Wandel verpflichtet fühlt, den wir anführen wollen. Das Judentum zu lieben, aber den religiösen Zwang zu bekämpfen. Gegen Rassismus zu stehen. Die Korruption zu bekämpfen. Um unsere Demokratie vor denen zu schützen, die versuchen, sie zu zerstören».
(Übersetzung des Berichts der Knesset)
Plenarsitzung der Knesset zur Vereidigung der neuen Regierung
Video, Knesset, 17. 5. 2020, 5:22 Std., Originalton
Staatspräsident Rivlins Tweet nach der Vereidigung
Staatspräsident Reuven Rivlin hat nach der Vereidigung getwittert:
«Die neue Regierung Israels ist vereidigt worden. Hoffen wir, dass die 35. Regierung allen unseren Bürgern dienen und die Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfolgreich angehen wird. Minister – tragen Sie die Verantwortung, die Sie übernommen haben, mit Demut. Das ganze Volk schaut auf Sie.»
Die Mitglieder der 35. Regierung
Die Regierung besteht vorerst aus 34, später aus 36 Ministern plus 16 Stellvertretern (Bild 13).
Besetzung von Schlüsselministerien
Aussenministerim
Generalleutnant (d. Res.) Gavriel «Gabi»Aschkenasi (geb. 1954; Bild 7) von der Partei Kachol Lavan (Blau-Weiss) wird Aussenminister der Einheitsregierung. Aschkenasi studierte Politikwissenschaften und Management in Haifa und Harvard. 1972 trat er in die Verteidigungsstreitkräfte des Staates Israel ein. Von 2007 bis 2011 war er (der 19.) Generalstabschef. Er war der unmittelbare Vorgänger von Benny Gantz in dieser Funktion.
Seit dem 30. April 2019 ist Aschkenasi Mitglied der Knesset und seit dem letzten Sonntag Aussenminister. Die Amtsübergabe von Israel Katz (siehe weiter unten unter «Finanzministerium») fand am Montag, 18. Mai, im Aussenministerium statt (Bild 8).
FM Ashkenazi’s speech upon taking office
Verteidigungsministerium
Generalleutnant (d. Res.) Benjamin «Benny» Gantz (geb. 1959), Chef des Bündnisses Blau-Weiss (Kachol Lavan), übernimmt das Verteidigungsministerium. Er war von 2011 bis 2015 der 20. Generalstabschef, als Nachfolger von Gabi Aschkenasi (siehe vorstehend). Gantz war 1977 in die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) eingetreten.
Mit der von ihm im Dezember 2019 gegründeten Partei Chosen LeJisra’el (übersetzt: Widerstandskraft für Israel) und nach Zusammenschluss mit Jair Lapids Partei Jesch Atid zum Mitte-Links-Bündnis Kachol Lavan (Blau-Weiss) trat Gantz bei der vorgezogenen Parlamentswahl im April 2019 an, unterlag aber dem Likud
Seit dem 30. April 2019 ist Gantz Mitglied der (21.) Knesset und bis zum 25. März 2020 war er Oppositionsführer. Seit dem 26. März 2020 bis letzte Woche war er Präsident («speaker») der Knesset.
Bei den ebenfalls vorgezogenen Neuwahlen im September des Jahres 2019 wurde Gantz‘ Partei trotz minimaler Verluste stärkste Kraft in der Knesset. Er erhielt vom Staatspräsidenten den Auftrag zur Bildung einer Regierung, was ihm jedoch nicht gelang. In der Folge unterzeichnete er mit dem Likud und einigen weiteren kleineren Parteien ein Abkommen über eine Notregierung der nationalen Einheit.
Amtsantritt
Der neu ernannte Verteidigungsminister Benny Gantz hat am Montag (18.5.) offiziell sein Amt angetreten und bei einer bescheidenen Zeremonie im Verteidigungsministerium in Tel Aviv eine Rede gehalten.
In seinen Ausführungen erinnerte Gantz an die Hunderte Male, die er als Generalstabschef der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) zuvor das Büro des Verteidigungsministers betreten hatte, über die Brücke, die das Hauptquartiergebäude der IDF mit dem Gebäude des Verteidigungsministeriums im Kirya-Komplex in Tel Aviv verbindet.
Gantz beglückwünschte seinen Vorgänger, Naftali Bennett, mit den Worten: «Ich war beeindruckt von Ihrer Entscheidung, über den Tellerrand hinauszuschauen und das System aus dem Wunsch heraus, es zu verbessern, in Frage zu stellen.»
Er warnte auch vor den Gefahren eines unflexiblen Denkens und sagte: «In diesen Tagen sind 20 Jahre vergangen, seit Israel die Sicherheitszone im Libanon verlassen hat ... wir sind dort in gewisser Weise in starrem Denken ertrunken, das uns zig Jahre lang an der gleichen Stelle gefangen gehalten hat. Heute müssen wir auch das große Ganze betrachten und uns selbst immer wieder überprüfen.»
Gantz' Kommentare sprachen viele der Themen an, die sein Programm dominieren werden, und deuteten an, welche Art von Politik er als Verteidigungsminister fördern wird.
Mehr: Gantz’s challenges and agenda as newly installed defense minister
(jns, Jewish News Syndicate)
Finanzministerium
Israel Katz (Likud, geb. 1955; Bild 9), bisher Aussenminister, übernimmt nun das Finanzministerium.
Katz erwarb einen Bachelor sowie anschliessend einen Master in Agrarwissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem. Er ist seit dem 18. November 1998 Mitglied der Knesset. Im Jahre 2003 wurde er erstmals als Minister in eine Regierung berufen. Am 17. Februar 2019 übernahm Katz das Amt des israelischen Aussenministers, das bisher Ministerpräsident Netanjahu zusätzlich innehatte.
Israel Katz ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Gesundheitsministerium
In der Zeit der Corona-Krise ist das Gesundheitsministerium von einiger Bedeutung. Es wurde bis vor kurzem von Yaakov Litzmann geführt, der jedoch seiner Aufgabe offensichtlich nicht gerecht wurde. Neuer Vorsteher dieses Ministerium ist nun Juli-Joel Edelstein (geb. 1958, Likud; Bild 10).
Edelstein wanderte 1987 aus der damaligen Sowjetunion und heutigen Ukraine nach Israel ein und begann sich für Politik zu interessieren. 1995 wurde er erstmals in die Knesset gewählt. Nach Ministerposten, die er von 1996 bis 2013 bekleidete, wurde er im März 2013 zum Vorsitzenden («speaker») der Knesset gewählt. Dieses Amt bekleidete er bis zum 26. März 2020.
Edelstein war 33 Jahre lang mit Tatiana (Tanya) verheiratet, die er bereits in der Sowjetunion kennen gelernt hatte. Das Paar hat zwei Kinder. Tatiana starb 2014 im Alter von 63 Jahren an Krebs. Im Juni 2016 heiratete Edelstein Irina Nevzlin, die Vorsitzende des Vorstands des Museums Beit Hatfutsot und Präsidentin der Stiftung NADAV. Das Paar lebt in der israelischen Siedlung Neve Daniel, die zum Siedlungsblock Gusch Etzion im Westjordanland gehört.
Die neue Regierung Israels mit zwei besonderen Frauen
Das erste äthiopischstämmige Kabinettsmitglied und die erste haredische (im Deutschen meist mit ultraorthodox übersetzt) Frau als Ministerin: Im neuen Regierungskabinett sind zwei gesellschaftliche Gruppen vertreten, die bislang noch nicht in Israels Regierungen aktiv waren.
Pnina Tamano-Schata: Von der «Operation Moses» zur Ministerin
Die gebürtige Äthiopierin Pnina Tamano-Schata (Bild 15), die zur Partei Blauweiss von Benny Gantz gehört, ist in der 35., am 17. Mai vereidigten Regierung Einwanderungsministerin. Bei den Parlamentswahlen im Januar 2013 wurde sie erstmals in die Knesset gewählt, damals noch für die linksliberale Partei Yesh Atid. Ihre Wahl war damals durchaus überraschend, da sie auf Listenplatz 14 stand und die Partei laut Umfragen nur mit 13 Sitzen hatte rechnen können (am Ende wurden es 19). Diesmal stand sie auf Platz 23 der Liste «Blauweiss», die insgesamt 33 Sitze erhielt.
Die 39-Jährige kam im Alter von drei Jahren im Rahmen der «Operation Moses» nach Israel. Die israelische Regierung hatte damals entschieden, die äthiopischen Juden, die seit 2.500 Jahren im Exil waren, aus dem unter Diktatur, Bürgerkrieg und Hunger leidenden Land nach Israel zu holen.
Weil Äthiopiens Regierung das nicht erlaubte, liefen tausende äthiopische Juden zu Fuss durch die Wüste in den Sudan, wo sie in einer geheimen Mission von israelischen Flugzeugen abgeholt wurden (ein Teil der Geschichte – aus dem Blickwinkel daran beteiligter israelischer Geheimagenten – ist in dem Netflix-Spielfilm The Red Sea Diving Resort dramatisiert).
Pnina, ihre fünf Brüder und ihr Vater gehörten zu fast 7.000 äthiopischen Juden, die zwischen November 1984 und Januar 1985 von Israels Regierung aus dem Land geflogen wurden. Ihre Mutter folgte einige Jahre später. Über ihre Ernennung zur Ministerin sagt sie:
«Für mich ist dies ein Meilenstein und das Schliessen eines Kreises. Von diesem dreijährigen Mädchen, das ohne Mutter auf einer Reise durch die Wüste nach Israel eingewandert ist, über das Aufwachsen in Israel und die Kämpfe, die ich geführt habe und die ich immer noch führe für die Gemeinschaft, für Integration, Akzeptanz des Anderen und gegen Diskriminierung und Rassismus – bis zu meiner öffentlichen Mission innerhalb und ausserhalb der Mauern der Knesset und heute bis zum Amt der Ministerin für Alija und Integration.»
Auf dieses Amt sei sie «stolz», sagte sie, und fügte hinzu:
«Alija ist die Seele und das schlagende Herz des Staates Israel. Ich werde fleissig daran arbeiten, die Einwanderung aus allen Ländern der Welt zu fördern und die Reform des Einwanderungsabsorptionsprozesses in Israel voranzutreiben.»
(mena-watch)
Penina Tamanu-Schata (Webseite der Knesset)
Mehr zur «Operation Moses» (Wikipedia)
Omer Yankelevich: Eine Charedi-Frau in einer nicht religiösen Partei
Die 41-jährige Juristin Omer Yankelevich (Bild 15), die neue Ministerin für die Diaspora, ist die erste Charedi-Frau in einem israelischen Kabinett. Sie ist in Tel Aviv geboren, hat aber einen kosmopolitischen Hintergrund. «Frau Yankelevichs Erfahrung mit der jüdischen Diaspora stammt aus ihrem Studium in Grossbritannien und ihrem russischen Hintergrund», schrieb der Londoner Jewish Chronicle.
Ihre Mutter stammt aus Lettland, ihr Vater aus Litauen – beide sind Berichten zufolge säkular. Yankelevich nahm aus eigener Initiative als Jugendliche die Lebensweise und Weltanschauung der Charedim an und lehrte Anfang der 1990er Jahre im Alter von 16 Jahren als Freiwillige Hebräisch und Judaismus in Moskau und der Ukraine.
Die Jerusalem Post schrieb nach ihrem Einzug ins Parlament im April 2019:
«Die frischgebackene Abgeordnete ist Anwältin und Gesellschaftsaktivistin, die in den Charedi-Schulsystemen sowohl in Gateshead in Grossbritannien als auch in Bnei Brak ausgebildet wurde. Sie erhielt einen Bachelor (BA) in Lehre von der Cambridge University, einen weiteren BA in Recht vom Ono College (in Kiryat Ono, Israel) und einen Master in Recht von der Bar Ilan University (bei Tel Aviv)“
2019 trat Yankelevich der Partei Chosen LeJisra’el (Widerstandskraft für Israel) des ehemaligen Generalstabschefs der israelischen Streitkräfte, Benny Gantz, bei, die später Teil von Kachol Lavan (Blauweiss) wurde. Yankelevich wurde zuerst im April 2019, dann im September 2019 und erneut im März 2020 auf der Liste von Blauweiss in die Knesset gewählt. Sie war erst die zweite Charedi -Frau, die je in die Knesset gewählt wurde.
Auf den Listen der beiden Parteien, die für sich in Anspruch nehmen, die Vertretung des Charedi-Judentums zu sein – die Schas-Partei und die Partei Vereinigtes Torah-Judentum (United Torah Judaism, UJT) – gibt es keine Frauen.
«Obwohl UTJ und Schas keiner Frau erlaubt haben, als Kandidatin auf ihren Wahllisten zu stehen, kritisierten sie Yankelevich dennoch dafür, einer nichtreligiösen Partei beigetreten zu sein», schrieb die Jerusalem Post. Yitzhak Pindrus, bis September 2019 Knessetabgeordneter der UTJ, habe sie als «Dekoration» und«irrelevant» bezeichnet, andere Parteifunktionäre hätten sie Berichten zufolge ein «Feigenblatt» genannt und über sie gesagt, sie stehe «am Rande der Charedi-Gemeinschaft».
Yankelevich ist Mitbegründerin der Just Begun Foundation, die sich für die Integration randständiger und marginalisierter Bevölkerungsgruppen vor allem aus dem Charedi-Sektor einsetzt. Zu den Initiativen der Gruppe gehören die Eröffnung einer Kunstgalerie, in der Charedi-Künstler auf einem Flohmarkt in Tel Aviv ihre Kunstwerke ausstellen, sowie Projekte im Bereich der bildenden und der darstellenden Künste.
Ein anderes Projekt von ihr ist die «Alma»-Initiative zur Unterstützung von Charedi-Frauen in wirtschaftlichen und sozialen Notlagen.
Wie die Jerusalem Post schrieb, verteidigte Yankelevich die Geschlechtertrennung in Bildungseinrichtungen der Charedim, nachdem das Jerusalemer Arbeitsgericht 2018 entschieden hatte, dass ein geschlechtsspezifischer Kurs für Anwärter des öffentlichen Dienstes gesetzeswidrig sei. Das Urteil wurde später aufgehoben. Yankelevich schrieb laut der Jerusalem Post, dass Charedi-Frauen, wenn keine geschlechtsspezifischen Studienmöglichkeiten zur Verfügung stünden, überhaupt keine akademische Ausbildung erhalten könnten.
(mena-watch)
Omer Yankelevitch (Webseite der Knesset)
Zusammensetzung der 23. Knesset (120 Sitze)
(Stand: 17. Mai 2020)
Die Fraktionen der neuen Koalition sind in Fettschrift angezeigt und mit dem Eintrag in der deutschen Ausgabe von Wikipedia verlinkt. In Wikipedia sind die englischsprachigen Einträge in der Regel umfassender (Sprachauswahl auf der Wikipedia-Webseite unten in der linken Spalte).
36 Sitze Likud
16 Sitze Yesh Atid - Telem
15 Sitze Kachol Lavan (Blau-Weiss)
15 Sitze Joint List (Vereinige Liste; Listenverbindung von vier vorwiegend arabischen Parteien)
9 Sitze Schas
7 Sitze United Torah Judaism (Vereinigtes Thora-Judentum)
7 Sitze Israel Beitenu (Unser Haus Israel)
5 Sitz Jamina (Die neue Rechte)
3 Sitze Awoda (Arbeitspartei)
3 Sitze Meretz
2 Sitze Derech Eretz
1 Sitz Bayit Yehudi (Jüdisches Heim)
1 Sitz Gescher
Jariv Levin zum Parlamentspräsidenten gewählt
Am Sonntag hat das Knesset-Plenum auch einen neuen Vorsitzenden («speaker») gewählt. Jariv Levin (Likud ; Bild 11) erhielt 72 der 120 Stimmen der Knesset. Die Parlamentarier der Opposition Karin Elharrar (Yesh Atid-Telem) und Ahmad Tibi (Gemeinsame [arabische] Liste) erhielten 23 bzw. 20 Stimmen.
Levin ist 51 Jahre alt und in Jerusalem geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem in Jerusalem und war als Rechtsanwalt in Israel tätig. Seit 2009 ist Levin Abgeordneter des Likud in der Knesset. Er legte mit anderen Abgeordneten einen 16 Punkte umfassenden Gesetzentwurf vor, der eine Basis für das 2018 verabschiedete Nationalstaatsgesetz bildete. Levin ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt mit seiner Familie in Modi’in..
In der Armee war er Übersetzer Arabisch-Hebräisch im Nachrichtendienst und Kommandant des Übersetzungskurses im IDF Nachrichtendienst
Jariv Levin, ersetzt den Vorsitzenden des Bündnisses Blau-Weiss, Benjamin «Benny» Gantz, der am Freitag vor seiner Ernennung zum stellvertretenden Premierminister in der Einheitsregierung von diesem Amt zurücktrat.
Nach seiner Wahl sagte Speaker Levin: «Der Dienst in der Knesset ist keine Selbstverständlichkeit. Es stellt uns, die Amtsträger, vor eine schwere Verantwortung. Nicht nur die Öffentlichkeit, die uns gewählt hat, getreu zu vertreten, sondern dies auch in angemessener Weise, mit einem würdigen Diskurs, aus Loyalität für den Weg, in dessen Namen jeder von uns gewählt wurde.»
Erste Sitzung des neuen Kabinetts
Im Anschluss an die Sitzung der Knesset versammelte Ministerpräsident Netanjahu sein Kabinett in der Chagall State Hall im Knesset-Gebäude (Bilder 12 und 14)
(RK)
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