Zum Hauptinhalt springen

Auch der Sudan will Beziehungen zu Israel normalisieren

US-Präsident Donald Trump hat am Freitag (23.10.) die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und der Republik Sudan angekündigt. Der Sudan ist damit das dritte muslimische Land nach den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, das innerhalb von sechs Wochen die Beziehungen zum jahrzehntelang abgelehnten und bekämpften jüdischen Staat normalisieren will.

Vereinbart wurde dies bei einem gemeinsamen Telefongespräch zwischen Trump, dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu sowie den zivilen und militärischen Führern der sudanesischen Übergangsregierung, Premierminister Abdalla Hamdok und General Abdel Fattah al-Burhahn, Präsident der Republik Sudan. (Bilder 1 und 2)

Trump liess während des Gesprächs Reporter ins Oval Office und erklärte feierlich, «der Staat Israel und die Republik Sudan haben zugestimmt, Frieden zu schliessen». Trump verbindet damit zweifellos die Hoffnung, dass sich ein weiterer diplomatischer Erfolg im Nahen Osten bei der anstehenden Präsidentenwahl am 3. November für ihn auszahlen könnte.

Unangebrachte Frage Trumps an Netanjahu

Nicht gerade von staatsmännischem Format sondern völlig unangebracht war die vor der Öffentlichkeit an Ministerpräsident Netanjahu gestellte Frage Trumps, ob er denke, dass «sleepy Joe» («Schlafmütze Joe», Trumps wiederholt verwendete despektierliche Bezeichnung für seinen Gegner im Wahlkampf um die Präsidentschaft, Joe Biden) diesen Deal gemacht haben könnte. «Glauben Sie, er hätte diesen Deal irgendwie machen können? Ich denke nicht.»

Netanjahu, der wie jeder andere Umfragewerte lesen kann, weiss, dass die Chancen, dass er es im Januar mit dem neu gewählten Präsidenten Joe Biden zu tun haben wird, wenn Trump nicht in letzter Minute noch einmal zurückkommt, antwortete nach einem Moment der Sprachlosigkeit diplomatisch: «Nun, Herr Präsident, eines kann ich Ihnen sagen: Wir wissen die Hilfe für den Frieden von jedem in Amerika zu schätzen. Und wir wissen es sehr zu schätzen, was Sie getan haben.» (Video)

President Trump Delivers Remarks in the Oval Office
Video, The White House, 37:40 Min., englisch

Transkript der Telefonschaltung von Präsident Trump mit dem israelischen Ministerpräsident Netanjahu sowie dem Vorsitzenden des «Souveränen Rates» (Staatspräsident) Abdel Fattah Burhan und Premierminister Abdalla Hamdok der Republik Sudan aus dem Oval Office des Weissen Hauses (englisch).

Joint Statement of the United States, the Republic of Sudan, and the State of Israel

Die Ankündigung erfolgte, nachdem Trump zuvor ein Papier unterzeichnet hatte, mit dem der Sudan von der Terrorliste des USA gestrichen werden soll. Darüber muss der US-Kongress nun in den nächsten 45 Tagen entscheiden.

Die USA drängten Sudan zu diesem Schritt

Die Entwicklung war abzusehen. Bereits letzte Woche hatte der Sudan beschlossen, die Normalisierung der Beziehungen voranzutreiben nachdem die USA dem Land ein 24-Stunden-Ultimatum gestellt und gefordert hatten, Israel anzuerkennen, um von schwarzen Listen der USA gestrichen zu werden. Die Aussicht auf Wirtschaftshilfe sowie Schuldenerlass und Investitionen dürften dem afrikanischen Land den Entscheid erleichtert haben.

Seit fast dreissig Jahren hatte der Sudan in den USA auf der schwarzen Liste der Länder figuriert, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Die Brandmarkung des nordostafrikanischen Staates geht auf die Jahre 1992 bis 1996 zurück. Damals beherbergte der Sudan unter dem damaligen Diktator Bashir nebst anderen extremistischen Gruppen auch den Jihadisten bin Ladin, der von der Hauptstadt Khartum aus al-Kaida befehligte und mehrere Anschläge in Auftrag gab. Der Sudan ist immer noch auf dieser Liste, obwohl bin Ladin 1996 ausgewiesen wurde und die Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 mit der CIA zusammenarbeitete. 2016 kappte Bashir die Verbindungen mit Iran. Im April 2019 trat er auf Druck der Strasse und des Militärs zurück.

Inzwischen ist eine Übergangsregierung an der Macht, die nichts mehr zu tun hat mit der islamistischen Ideologie Bashirs. Allerdings leidet der Sudan unter massiven Wirtschaftsproblemen, einer Hungerkrise, Überschwemmungen und der Corona-Pandemie, die allesamt die demokratischen Fortschritte gefährden. Die amerikanische Brandmarkung des Sudans als «Hort des Terrorismus» erschwert die internationalen Handelsbeziehungen und die Aufnahme von Krediten.

Die Streichung der Terrorbezeichnung öffnet dem Sudan die Tür für internationale Kredite und Hilfe, die zur Wiederbelebung seiner angeschlagenen Wirtschaft und zur Rettung des Übergangs des Landes zur Demokratie benötigt werden.

In der gemeinsamen Erklärung wurde nicht erwähnt, dass der Sudan nach Angaben des hochrangigen US-Beamten zugestimmt hat, die libanesische Hisbollah-Bewegung als terroristische Organisation zu bezeichnen, was Israel seit langem von seinen Nachbarn und anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft fordert.

Das Abkommen war auf amerikanischer Seite von Trump-Seniorberater und Schwiegersohn Jared Kushner, dem Nahost-Gesandten Avi Berkowitz, dem nationalen Sicherheitsberater Robert O'Brien und Aussenminister Mike Pompeo ausgehandelt worden.

Karthum, der Ort der «3 Neins»

Der Sudan verfügt zwar nicht über den politischen Einfluss, den Reichtum und die wirtschaftlichen Ressourcen wie die Vereinigten Arabischen Emirate und das kleinere Bahrain. Doch die Öffnung in Richtung Israel ist von besonderer symbolischer Bedeutung, weil die sudanesische Hauptstadt Khartum der Ort war, an dem die Arabische Liga 1967 ihre Feindschaft zum jüdischen Staat mit den legendären «drei Neins» quasi in Stein gemeisselt hatte.

Am 19. Juni 1967, neun Tage nach Israels Sieg im Sechstagekrieg, hatte das israelische Kabinett die Vorlage eines Friedensangebots an Syrien und Ägypten beschlossen. Über amerikanische diplomatische Kanäle bot Israel die Rückgabe der Golanhöhen an Syrien und die Rückgabe des Sinais an Ägypten an unter der Bedingung, dass beide Länder Israels Existenzrecht anerkennen und weitere Angriffe unterlassen würden.

Nach diesem Angebot «Land für Frieden» wartete Israel – in dem berühmten Satz von Verteidigungsminister Mosche Dayan – «auf einen Telefonanruf» von arabischen Führern. Die Israelis erwarteten zu hören, dass ihre Nachbarn nun endlich bereit seien, über Frieden zu sprechen.

Stattdessen verabschiedeten die Führer von acht arabischen Staaten der Arabischen Liga bei einem Treffen in Khartum eine Resolution mit den «Three No’s»:

  1. NO peace with Israel – Kein Frieden mit Israel
  2. NO recognition of Israel – Keine Anerkennung Israels
  3. NO negotiations with Israel – Keine Verhandlungen mit Israel

In einer Videobotschaft am Freitagabend sagte Ministerpräsident Netanjahu in Anlehnung an diese drei «Neins»: «Heute sage Khartum Ja zu einem Frieden mit Israel, Ja zu einer Anerkennung Israels und Ja zu einer Normalisierung mit Israel».

Premier Netanjahu zur Normalisierung der Beziehungen mit Sudan
Video, 23.10.2020, 1:16 Min, hebräisch mit deutschen Untertiteln

Im Gegensatz zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, die nie mit Israel gekämpft haben, befanden sich Khartum und Jerusalem jahrzehntelang in einem offiziellen Kriegszustand, da letzteres während des Unabhängigkeitskrieges 1948 an der Seite arabischer Truppen kämpfte.

Diese jüngsten Anerkennungen Israels haben den traditionellen arabischen Konsens untergraben, dass es vor der Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates keine Normalisierung mit Israel geben kann.

Die Palästinenser sagen, die Anerkennungen kämen einem Verrat gleich, während Israel sagt, die Palästinenser hätten das verloren, was sie als ihr «Veto» gegen regionale Friedensbemühungen angesehen haben.

Signale der Annäherung hatte es seit Längerem gegeben. Im Februar hatten sich Netanjahu und Burhan in Uganda getroffen. In dieser Woche war eine israelisch-amerikanische Delegation zu Geheimgesprächen in Khartum.

Sudan ist auf einem fragilen Pfad in Richtung Demokratie, nachdem im vorigen Jahr der langjährige autokratische Herrscher Omar al-Bashir gestürzt worden war. Eine Zeremonie zur Unterzeichnung des Abkommens zwischen Sudan und Israel wird noch vor der US-Präsidentenwahl, erwartet.

Der Sudan

Die Republik Sudan (Grafik 4) ist ein Staat im Nordosten Afrikas mit Zugang zum Roten Meer. Er grenzt im Norden an Ägypten, im Osten an Eritrea, im Südosten an Äthiopien, im Süden an den Südsudan, im Südwesten an die Zentralafrikanische Republik, im Westen an den Tschad und im Nordwesten an Libyen. Mit einer Fläche von mehr als 1,8 Millionen Quadratkilometern ist das Land 83 Mal so gross wie Israel und drittgrösster Flächenstaat des afrikanischen Kontinents. Von den gut 43 Millionen Einwohnern lebt über ein Fünftel in der Hauptstadtregion um Khartum.
(RK)

 

 

 

Bild 1: Die Protoganisten des Übereinkommens zwischen Israel und dem Sudan (v.l.) General Abdel-Fattah Burhan, US-Präsident Donald Trump und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Israel Hayom)

Bild 2: US-Präsident Donald Trump telefoniert mit den Staats- bzw. Regierungschefs des Sudan und Israels, während Finanzminister Steven Mnuchin (links), Aussenminister Mike Pompeo, der Seniorberater des Präsidenten, Jared Kushner, und der Nationale Sicherheitsberater Robert (von links) applaudieren (Oval Office des Weissen Hauses, 23.10.2020; The Times of Israel)

Bild 3: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigt in einem Video auf Hebräisch den israelisch-sudanesischen Frieden an (23.10.2020; Youtube-Screenshot)

Grafik 4 : Die Republik Sudan

Bild 5: Die Flaggen des Staates Israel (l.) und der Republik Sudan