Amtseinsetzung der 36. Regierung
Koalition aus acht Parteien
Das Koalitionsbündnis wurde von Jair Lapid, dem Vorsitzenden der Partei Jesch-Atid zusammengestellt, nachdem er von Präsident Rivlin dazu am 5. Mai das Mandat erhalten hatte. Der Koalition gehören folgende acht Parteien an, die den Grossteil des politischen Spektrum Israels abdecken:
Hebräischer Name der Partei / deutsche Übersetzung / Parteivorsitzende/r / Anzahl Sitze in der Knesset
Jesch Atid / Es gibt eine Zukunft / Jair Lapid / 17
Kachol Lavan / Blau-Weiss / Benjamin «Benny» Gantz / 8
Jamina / Nach Rechts / Naftali Bennett / 7
HaAvoda / Die Arbeit / Merav Michaeli / 7
Jisrael Beteinu /Unser Heim Israel / Avigdor Liberman / 7
Tikwa Chadascha / Neue Hoffnung / Gideon Sa'ar / 6
Meretz / Tatkraft / Nitzan Horowitz / 6
Ra'am / Vereinigte Arabische Liste/ Mansur Abbas / 4
Vor der Inaugurations-Sitzung der Knesset, traf sich Naftali Bennett um 14 Uhr mit den sieben andern Vorsitzenden der Koalitionsparteien im Raum der Jamina-Fraktion zu einer Sitzung. (Bild 2)
Die 36. Regierung Israels
Jair Lapid schaffte es, acht Parteien mit völlig unterschiedlichen Programmen unter einen Hut zu bringen. Der Preis ist allerdings das drittgrösste Kabinett in der Geschichte des Landes. Insgesamt 28 Minister und 5 stellvertretende Minister gehören der Regierung an.
Mit Bennett als 13., aber erstem Regierungschef, der eine Kippa trägt, der Rekordzahl von neun Frauen auf Ministerposten, zwei Arabern, einem Drusen und einer in Äthiopien geborenen Ministerin repräsentiert die «Regierung des Wechsels» die Vielfalt der israelischen Gesellschaft.
Zusammensetzung des Kabinetts
- Premierminister: Naftali Bennett (Jamina); (Bild 3)
- Alternierender Premierminister / Aussenminister: Jair Lapid (Jesch-Atid); (Bild 3)
- Stellvertretender Premierminister / Verteidigungsminister: Benny Gantz (Blau-Weiss)
- Stellvertretender Premierminister / Justizminister: Gideon Sa’ar (Neue Hoffnung)
- Finanzminister: Avigdor Liberman (Jisrael Beitenu)
- Minister für öffentliche Sicherheit: Omer Barl-Lev (Arbeitspartei)
- Transportministerin: Merav Michaeli (Arbeitspartei)
- Gesundheitsminister: Nitzan Horowitz (Meretz)
- Innenministerin: Ajelet Schaked (Jamina)
- Minister für Religions-Angelegenheiten: Matan Kahana (Jamina)
- Bildungsministerin: Jifat Schascha-Biton (Neue Hoffmung)
- Kommunikationsminister: Joaz Hendel (Neue Hoffnung)
- Kultur- und Sportminister: Chili Tropper (Blau-Weiss)
- Wirtschaftsministerin: Orna Barbivay (Jesch-Atid)
- Bauminister, Minister für Jerusalem-Angelegenheiten und Verbindungsminister zur Knesset: Ze’ev Elkin (Neue Hoffnung)
- Minister für Arbeit, Sozialdienste und -angelegenheiten: Meir Cohen (Jesch-Atid)
- Tourismus-Minister. Joel Razvozov (Jesch Atid)
- Energieministerin: Karin Elharrar, (Jesch-Atid)
- Minister für Geheimdienste: Elazar Stern (Jesch-Atid)
- Ministerin für soziale Gerechtigkeit: Meirav Cohen (Jesch-Atid)
- Ministerin für Einwanderung und Integration: Pnina Tamano-Schata (Blau-Weiss)
- Minister für Landwirtschaft, Negev- und Galiläa-Entwicklung: Oded Forer (Jisrael Beitenu)
- Ministerin für Wissenschaft und Technologie: Orit Farkasch Hacohen (Blau-Weiss)
- Minister für Diaspora-Angelegenheiten: Nachman Shai (Arbeitspartei)
- Minister für regionale Zusammenarbeit: Essawi Frej (Meretz)
- Umweltschutzministerin: Tamar Sandberg (Meretz)
- Minister im Finanzministerium: Hamed Amar (Jisrael Beitenu)
Stellvertretende Minister
- Stellvertretender Minister für Regulierungsfragen im Büro des Premierministers: Abir Kara (Jamina)
- Stellvertretender Aussenminister: Idan Roll (Jesch-Atid)
- Stellvertretender für öffentliche Sicherheit: Joav Segalovich (Jesch-Atid)
Noch nicht ernannt:
Je ein Vertreter der Ra’am-Partei und der Partei Neue Hoffnung
Knesset-Vorsitzender (Speaker): Michael «Mickey» Levy (Jesh-Atid)
Kommissionsvorsitzende
- Vorsitzender der Finanzkommission: Alex Kuschnir (Jisrael Beiytenu)
- Vorsitzender Aussenangelegenheiten und Verteidigungs-Kommission: Ram Ben Barak (Jesch-Atid)
- Vorsitzender Gesetzes- und Verfassungs-Kommission: Rabbi Gilad Kariv (Arbeitspartei)
- Vorsitzender Kommisson für Einwanderungs- und Diaspora-Angelegenheiten: Jair Golan (Meretz)
Sicherheitskabinett
- Naftali Bennett
- Jair Lapid
- Benny Gantz
- Gideon Sa'ar
- Avigdor Liberman
- Merav Michaeli
- Ajelet Schaked
- Ze’ev Elkin
- Omer Barlev
- Nitzan Horowitz
- Matan Kahana
- Jifat Schascha-Biton
Koalitionsvorsitzende: Idit Silman (Jamina)
Die Inaugurations-Sitzung der Knesset
Die Mitglieder der Knesset fanden sich vollzählig ein, um über die neue «Regierung des Wechsels» unter der Führung von Naftali Bennett und Jair Lapid abzustimmen.
Um 16 Uhr (Ortszeit) eröffnete der Knesset-Vorsitzende («speaker»), Jariv Levin, die Sonder-Plenarssitzung, nachdem er mit einiger Mühe Ruhe im Saal hergestellt hatte. Er erteilte als Erstem dem designierten Premierminister der neuen Regierung, Naftali Bennett, das Wort, damit dieser die Regierung und ihr Programm vorstelle (Bilder 4 und 5).
Eine unwürdige Sitzung
Doch was nun folgte nannten langjährige Beobachter, die wissen, dass es im israelischen Parlament oft laut und heftig zugeht, beschämend.
Immer wieder unterbrachen Abgeordnete aus dem Lager des bisherigen Regierungschefs Benjamin Netanjahu (namentlich seiner Likud-Partei, der Religiösen Zionisten und der Ultra-Orthdoxen) dessen designierten Nachfolger mit lautem Geschrei und üblen Beschimpfungen. Der Vorsitzende Levin versuchte wiederholt, Zwischenrufer zum Schweigen zu bringen und ordnete an, dass mehrere Abgeordnete des rechten politischen Spektrums aus dem Plenarsaal entfernt wurden. So Knessetmitglied (MK) Smotrich (Bild 6) und seine Mitstreiter von der Religiösen Zionistischen Partei, Itamar Ben-Gvir und Orit Struck, mussten nach ihren Störungen aus dem Plenum eskortiert werden,
Nach zehn weiteren Minuten des Chaos wurden auch Likud-MK May Golan, Schas-MK Mosche Abutbul und United Torah Judaism-MK Jitzhak Pindrus wegen ihrer Proteste aus dem Plenum entfernt.
Während Bennett sich abmühte zu sprechen – er konnte kaum ein, zwei Sätze sagen, ohne niedergeschrien zu werden –, wurden seine Aufrufe zu Geduld und Einheit von seinen rivalisierenden MKs übertönt und seine eigenen Kinder, die auf der Zuschauertribüne sassen, begannen mit ihren Händen Herzzeichen zur Unterstützung ihres Vaters zu machen.
Das Geschrei zeige die tiefe Spaltung Israels, die während Netanjahus Amtszeit entstanden sei, und wie sehr es notwendig sei, die verschiedenen Teile der Nation zusammenzubringen, sagte Bennett. Dabei versicherte er den Ultraorthodoxen, deren Parteien erstmals seit langem in der Opposition sein werden, dass er ihren Bedürfnissen Rechnung tragen werde. Bennett versprach, dass Charedim von seiner Regierung nichts zu befürchten hätten. Sie werde die Thora-Studien respektieren und daran arbeiten, ihre Probleme zu lindern. Die neue Regierung werde versuchen, Blockaden zu beseitigen, die die Integration der Charedim in der Öffentlichkeit verhinderten.
Als Likud- und Charedi-MKs fortfuhren, Bennett anzuschreien und ihn einen Verbrecher und Lügner zu bezeichnen, erhob Bennett die Stimme, um über sie zu sprechen. Er sagte, die MKs lieferten den Beweis für die dringende Notwendigkeit, Anstand und Einigkeit in die israelische Politik zurückzubringen.
«Ich bin stolz auf die Fähigkeit, mit Leuten zusammenzusitzen, die sehr unterschiedliche Meinungen haben», rief er. «Im entscheidenden Moment haben wir Verantwortung übernommen.» Die Alternative zu dieser Regierung wären mehr Wahlen gewesen, mehr Hass, der das Land zerrissen hätte, fuhr er fort. «Es ist an der Zeit, dass verantwortungsvolle Führer aus verschiedenen Teilen der Nation diesen Wahnsinn beenden», sagt er.
Dank an Benjamin Netanjahu
Zu Beginn seiner Ausführungen dankte Naftali Bennet, der in diesem Moment noch designierter Premierminister war, MK Benjamin Netanjahu, der seinerseits noch immer (geschäftsführender) Premierminister war, mit den Worten «Ich danke Ihnen, Benjamin Netanjahu, für Ihren langjährigen Dienst und Ihre umfangreichen Leistungen. Als Premierminister haben Sie viele Jahre lang daran gearbeitet, Israels politische, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Macht zu stärken.»
In der Ansprache sagte Bennett, seine Regierung werde die nukleare Aufrüstung des Irans verhindern und werde keinen Raketenbeschuss auf israelische Bürger aus dem Gazastreifen zulassen. Er dankte der Regierung von US-Präsident Joe Biden für die Unterstützung während des kürzlichen Gaza-Krieges und versprach, sich für die Aufrechterhaltung der parteiübergreifenden Unterstützung für Israel in den USA einzusetzen.
Erstmals arabische Partei in der Regierung
Vor allem hob Bennett das Bündnis mit der gemässigt islamistischen Partei Ra‘am hervor. Ra‘am ist die erste eigenständige arabische Partei, die formell Teil einer israelischen Koalitionsregierung ist. Seine Regierung werde gegenüber den arabischen Bürgern ein neues Kapitel aufschlagen und ihren Zugang zu Bildung, Sicherheit und Wohnraum verbessern.
Naftali Bennett’s Knesset address
Inoffizielle Übersetzung der Ansprache von Naftalie Bennett ins Englische
Worte des alternierenden Premiers
Jair Lapid verzichtete darauf, seine vorbereitete Rede zu halten und tadelte stattdessen die rechte Opposition gegen die neue Regierung für die ständigen Zwischenrufe gegen Bennett. Die Zwischenrufer seien eine Schande für die Demokratie.
«Ich lasse die Rede, die ich heute halten wollte, ausfallen, weil ich hier bin, um eine Sache zu sagen – um meine Mutter [die Schriftstellerin Schulamit Lapid] um Vergebung zu bitten», sagte er auf dem Podium (Bild 7).
«Meine Mutter ist 86 Jahre alt und wir haben sie nicht leichtfertig gebeten, nach Jerusalem zu kommen. Aber wir haben es getan, weil ich annahm, dass Sie in der Lage sein würden, sich zu überwinden und sich in diesem Moment staatsmännisch zu verhalten, und dass sie einen reibungslosen Übergang der Regierung erleben würde», sagte er zum aufgebrachten Plenum.
«Als sie geboren wurde, gab es keinen Staat Israel, Tel Aviv war eine kleine Stadt mit 30.000 Einwohnern und wir hatten kein Parlament. Ich wollte, dass sie stolz auf den demokratischen Prozess in Israel ist. Stattdessen schämt sie sich, zusammen mit jedem Bürger Israels, für Sie und erinnert sich deutlich daran, warum es Zeit ist, Sie zu ersetzen.»
The speech Lapid didn’t give
(Die Rede, die Lapid nicht hielt)
Ein Sprecher des Jesch Atid-Führers Jair Lapid veröffentlichte den vollständigen Text der Rede, die er in der Knesset nicht hielt. The Times of Israel veröffentlichte einige Auszüge aus seiner vorbereiteten Rede in englischer Übersetzung.
Der abtretende Premierminister spricht
«Ich stehe hier im Namen der Millionen Israelis ..., die für den Likud unter meiner Führung gestimmt haben, und der anderen Millionen Israelis, die für rechte Parteien gestimmt haben im Wissen, dass sie einer von mir geführten Regierung beitreten würden. Ihnen zu Ehren und in ihrem Namen beabsichtige ich, die Mission meines Lebens fortzusetzen: die Sicherheit und das Gedeihen des Staates Israel zu gewährleisten», sagte Netanjahu (Bilder 8 und 9).
Netanjahu rekapitulierte seine Errungenschaften, von der Sicherstellung, dass Israel das erste geimpfte Land wird, über den Widerstand gegen die Entwicklung von Atomwaffen durch den Iran, bis hin zu den Abraham-Verträgen, der US-Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt und der israelischen Souveränität über die Golanhöhen.
«Es war mir eine Ehre, Tag und Nacht für unser geliebtes Land zu arbeiten», sagt Netanjahu. Er verwies auch auf die relative Sicherheit Israels unter seiner Führung und nannes es «das beste Jahrzehnt für Sicherheit, das wir je hatten».
«Wenn wir dazu bestimmt sind, in der Opposition zu sein, werden wir es mit erhobenem Kopf tun, bis wir diese gefährliche Regierung zu Fall bringen», versprach Netanjahu.
Im Gegensatz zu Bennetts Rede wird Netanjahus Ausführungen vom Plenum überwiegend mit Schweigen bedacht.
Abstimmungen
Nach einer rund 4-stündigen Debatte schritt das Parlament zu den Abstimmungen.
Wahl des Knesset-Vorsitzenden
Als erstes wählte das Plenum einen neuen Knesset-Vorsitzenden (Sprecher), und zwar den Kandidaten der Partei Jesch-Atid, Mickey Levy (Bild 10). Er erhielt 67 der 120 Stimmen, sein Gegenkandidat Yaakov Margi, MK der Schas-Partei, 52.
Zur «Amtsübergabe» umarmte der scheidende Knesset-Sprecher Jariv Levin (Likud) seinen Nachfolger, Mickey Levy, herzlich und wünschte ihm viel Glück in seinem Amt. Levin erntete dafür starken Applaus im Plenum (Bild 11).
Levy verzichtete auf seine Rede, bedankte sich jedoch herzlich bei den andern Abgeordneten für die Ehre. Darauf begann er gleich mit der Vertrauensabstimmung über die Bennett-Lapid-Regierung. Dies weil eine Parlamentarierin für die Abstimmung mit einer Ambulanz direkt aus einem Krankenhaus in die Knesset gebracht worden war und er ihr eine Verzögerung ersparen wollte.
Liegend der neuen Regierung das Vertrauen ausgesprochen
Emilie Haya Moatti (Bild 12), eine Aktivistin, Filmemacherin und Schriftstellerin und seit der 24. Knesset Abgeordnete der Arbeitspartei, leidet aktuell an einer Wirbelsäulenerkrankung, hervorgerufen durch eine seltene Infektion. Sie war nicht in der Lage zu stehen und nahm liegend an der Abstimmung teil (Bild 13), bei der jede einzelne Stimme zählte.
Moatti wurde wieder aus dem Saal getragen, sobald sie ihre Stimme abgegeben hatte.
Der neuen Regierung wird mit 60 zu 59 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen
Mit einer Stimme Mehrheit ernannte kurz nach 21 Uhr die Knesset Naftali Bennett und sein Kabinett zur 36. Regierung des Staates Israel, der ersten seit 2009 ohne Benjamin Netanjahu an der Spitze.
Die sogenannte Regierung des Wechsels gewann die Vertrauensabstimmung mit 60 Stimmen der 120 Abgeordneten der Knesset. MK Saeed al-Harumi von der zur Bennett-Koalition gehörenden Ra’am-Partei enthielt sich wie angekündigt der Stimme.
Die neue Regierung benötigte nicht die Unterstützung von 61 Abgeordneten, um vereidigt zu werden, sondern eine einfache Mehrheit.
Der scheidende Premierminister Benjamin Netanjahu gratulierte seinem Nachfolger Naftali Bennet mit einem kurzen Handschlag (Bild 14).
Ministerpräsident Naftali Bennett gelobte vor dem Plenum der Knesset, «dem Staat Israel und seinen Gesetzen die Treue zu halten, seine Rolle als Ministerpräsident treu zu erfüllen und die Beschlüsse der Knesset einzuhalten».
Ihm folgte Jair Lapid, der alternierende Premierminister und Aussenminister. Der Rest der Kabinettsmitglieder folgt einzeln, in alphabetischer Reihenfolge.
Knesset approves new government; ministers sworn in
Knesset news, englisch
Members of parliamentary groups address Knesset Plenum prior to inauguration of 36th Government
Zusammenfassung der Debatte; Knesset-News (englisch)
Ganze Knesset-Sitzung
Video, Knesset, 13. 6. 2021, 5:30 Std., Ivrit
SRF 1, Mo. 14. 6. 2021, Tagesschau Hauptausgabe
-> Naftali Bennett ist der neue israelische Regierungschef (Position 17.50)
Erste Kabinettssitzung
Nach Abschluss der Plenumsdebatte versammelte sich die neue Regierung im Chagall-Saal der Knesset zu einer ersten feierlichen Kabinettssitzung (Bild 15).
Das offfizielle Bild der neuen Regierung
Der traditionelle Fototermin mit dem Staatspräsidenten in dessen Residenz in Jerusalem musste aus Zeitgründen auf den folgenden Tag (14.6.) verschoben werden.
Bild 16; Die Bildlegende findet sich hier
Freude der einen, Enttäuschung der andern
Nach Bekanntwerden des Resultats der Vertrauensabstimmung in der Knesset versammelten sich Tausende auf dem Rabin-Platz vor dem Rathaus in Tel Aviv, um den Regierungswechsel zu feiern (Bild 18). Die Stadtverwaltung liess die Fassade des Rathauses in den Farben Israels erstrahlen (Bild 19).
Gleichzeitig fanden sich Netanjahu-Anhänger vor der Residenz des Premierministers in Jerusalem ein, um Benjamin Netanjahu die Solidarität zu bekunden.
Gratulationen aus aller Welt
Der Präsident der USA
Offenbar die erste Gratulation traf aus Washington ein. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Josef «Joe» R. Biden, schrieb: «Im Namen des amerikanischen Volkes gratuliere ich Premierminister Naftali Bennett, dem alternierenden Premierminister und Aussenminister Jair Lapid und allen Mitgliedern des neuen israelischen Kabinetts. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Premierminister Bennett, um alle Aspekte der engen und dauerhaften Beziehung zwischen unseren beiden Nationen zu stärken».
Und weiter: «Israel hat keinen besseren Freund als die Vereinigten Staaten. Das Band, das unsere Völker verbindet, ist ein Beweis für unsere gemeinsamen Werte und jahrzehntelange enge Zusammenarbeit, und während wir unsere Partnerschaft weiter stärken, bleiben die Vereinigten Staaten in ihrer Unterstützung für Israels Sicherheit unerschütterlich. Meine Regierung ist fest entschlossen, mit der neuen israelischen Regierung zusammenzuarbeiten, um Sicherheit, Stabilität und Frieden für Israelis, Palästinenser und die Menschen in der gesamten Region zu fördern.» (Bild 20)
Bennett bedankte sich und schrieb auf Twitter: «Vielen Dank, Herr Präsident! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, um die Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen zu stärken».
Nur zwei Stunden nach Bennetts Amtsübernahme rief ihn Präsident Biden ausserdem an, um ihm auch mündlich zu gratulieren (Bild 21). Man erinnert sich: Als Biden ins Weisse Haus einzog, dauerte es zwei Monate, bis er sich bei Netanjahu meldete. Offensichtlich freut man sich in Washington über den Regierungswechsel in Israel.
Premierminister Bennett drückte dem Präsidenten seine Wertschätzung aus für seine Unterstützung Israels während der kürzlichen Militäroperation im Gazastreifen (Operation «Wächter der Mauern») und merkte an, dass er ihn als grosen Freund des Staates Israel betrachte.
In ihrem Gespräch unterstrichen die beiden Regierungschefs die Wichtigkeit der Allianz zwischen Israel und den Vereinigten Staaten und ihr Engagement für die Stärkung der Verbindung beider Länder und die Aufrechterhaltung der Sicherheit Israels.
Österreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Kanada, EU, US-Kongress
Gratulationen trafen in kurzer Folge von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, vom britischen Aussenminister Dominic Raab, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, britischen Premierminister Boris Johnson und vom Ratspräsidenten der Europäischen Union, Charles Michel, ein (der Europäische Rat repräsentiert die Mitgliedsstaaten der EU), ebenso von verschiedenen US-amerikanischen Abgeordneten und Senatoren des US-Kongresses (chronologische Auflistung aus The Times of Israel).
US-Aussenminister Antony Blinken rief den neuen israelischen Amtskollegen Jair Lapid an, gratulierte ihm und lud ihn nach Washington ein.
Naftali Bennett: Wer ist der neue Premierminister?
Der am Sonntag, 13. Juni, mit seinem Kabinett als 13. Premierminister ins Amt eingeführte Naftali Bennett (Bild 22) wurde 1972 in Haifa geboren. Er ist der Sohn amerikanisch-jüdischer Einwanderer aus Kalifornien und wuchs in einem säkularen Elternhaus auf, aber seine Familie wurde allmählich observant, als er ein kleines Kind war. Heute definiert er sich als modern-orthodox.
Bennett diente als Kompaniekommandant (Major) in den IDF-Eliteeinheiten Sayeret Matkal und Maglan, bevor er an der Hebräischen Universität Jerusalem Jura studierte.
Erfolgreicher Unternehmer
Nach seinem Abschluss gründete er Cyota, ein Hightech-Unternehmen für Betrugsbekämpfungssoftware, und war später mehrere Jahre in New York als dessen CEO tätig. Im Jahr 2005 beaufsichtigte er den Verkauf des Unternehmens für 145 Millionen Dollar. Später wiederholte Bennett dieses Kunststück, als Soluto, ein anderes Unternehmen, das er mit leitete, 2009 für 130 Millionen Dollar verkauft wurde.
Einzug in die Politik
Nach seiner Teilnahme am Libanonkrieg 2006 wurde Bennett Stabschef des damaligen Oppositionsführers Benjamin Netanjahu. Gemäss der Times of Israel hatte er einen Streit mit Netanjahus Frau Sara und wurde aus der Likud-Partei ausgeschlossen. Bennett diente dann von Januar 2010 bis Januar 2012 als Generaldirektor des Yesha Council, der Dachorganisation der Gemeinderäte der Siedlungen im Westjordanland.
Im November 2012 wurde Bennett zum Vorsitzenden der rechtsgerichteten, religiös-zionistischen Bayit Yehudi Partei gewählt. Er führte die Partei bei den Wahlen 2013 zum Gewinn von 12 Knesset-Sitzen, eine Zahl, die religiös-zionistische Parteien seit 36 Jahren nicht mehr erreicht hatten. In der 19. Knesset war er Wirtschaftsminister, Minister für religiöse Angelegenheiten und Minister für Diaspora-Angelegenheiten.
Eine detaillierte Auflistung der politischen Tätigkeit bis zur Übernahme des Amtes des Premierminsters findet sich in Wikipedia und hier:
Naftali Bennett: Who is Israel's new prime minister?
The Jerusalem Post, 14. Juni 2021 (englisch)
Biografie (englisch)
(Website der Knesset)
Religiöse Observanz
Obwohl Bennett sich als modern-orthodox identifiziert, waren Fragen der religiösen Gesetzgebung nie seine Leidenschaft. Seine religiöse Praxis ist auch weniger streng als die anderer observanter Politiker. Bennett schüttelt zum Beispiel Frauen die Hand, und seine Frau Gilat, die ursprünglich aus einer säkularen Familie stammt, bedeckt ihr Haar nicht.
Familie
Naftali Bennett ist verheiratet und Vater von vier Kindern (Bild 23). Die Familie lebt in Ra‘anana.
Der älteste Sohn Jonathan trägt den Vornamen von Jonathan Netanjahu (dem bei der Operation Entebbe gefallenen Kommandanten und Bruder des nun Ex-Premierministers.
Die Gattin des Premierministers, Gilat Ethel geborene Einav (Bild 24), wurde 1977 in Jerusalem in einer säkularen Familie geboren und wuchs in Kfar Urija auf. In der Armee (IDF) diente sie als pädagogischer Unteroffizier an der Fallschirmjäger-Gedenkstätte und studierte später die französische Küche. Sie hat eine Ausbildung als Konditorin, Reiseleiterin und Erzieherin.
Naftali und Gilat heirateten 1999, während er Jurastudent an der Hebräischen Universität war, Mit dem Aufstieg des Startup-Unternehmens Cyota, das von Bennett geleitet wurde, zog das Paar nach New York, wo sie etwa fünf Jahre lang lebten.
In New York arbeitete sie als Dessertköchin in verschiedenen Restaurants. Dann begann sie auch, einen religiösen Lebensstil zu führen und folgte damit ihrem Mann. Nachdem das Paar nach Israel zurückgekehrt war, eröffnete sie in Kfar Saba eine Eisfabrik namens «Gilati» (offensichtlich eine Verbindung von Gilat und Gelati), verkaufte diese aber mit der Geburt ihres ältesten Sohnes. Anschliessend liess sie sich am Adler-Institut als Elternberaterin und Schlafberaterin zertifizieren, was sie ab 2021 auch beruflich macht.
Meet Gilat Bennett, the wife of Israel's new prime minister
The Jerusalem Post, 15.6.2021, englisch
Gilat Bennett
Wikipedia; englisch
Benjamin Netanjahu, Regierungschef mit bisher längster Amtszeit
Der heute 71-jährige Benjamin «Bibi» Netanjahu war erstmals von Mai 1996 bis Mai 1999 israelischer Ministerpräsident.
2002 bis 2003 bekleidete er das Amt des Aussenministers. 2003 wurde er Finanzminister. Das Amt legte er Mitte 2005 aus Protest gegen den Plan von Ministerpräsident Ariel Scharon zur Teilräumung von israelischen Siedlungen nieder.
2009 wurde Netanjahu erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. Er übernahm die Leitung der Regierung am 31.März. Am 20. Juli 2019 überrundete er die Länge der Amtszeit von Staatsgründer David Ben-Gurion und wurde damit der bislang am längsten regierende Ministerpräsident Israels. Nach mehr als 12 Jahren ohne Unterbruch ging seine Amtszeit heute, am 13. Juni 2021, zu Ende.
Seit Ende 2018 war es ihm nicht mehr gelungen, eine stabile Regierung zu bilden. Er amtierte zum Teil lediglich noch als geschäftsführender Regierungschef.
Beginn des Endes der Regierungsherrschaft Netanjahus
Die Wende begann nach den Wahlen zur 24. Knesset am 23. März 2021. Präsident Reuven Rivlin beauftragte am 6. April den geschäftsführenden Premierminister Benjamin Netanjahu mit der Bildung einer Regierung. Am 4. Mai lief die 28-tätige Frist ab. Es war Netanjahu nicht gelungen, eine Koalition zu formieren. Am Tag darauf gab Präsident Rivlin das Mandat an den Oppositionsführer Jair Lapid, Vorsitzender der Partei Jesch-Atid.
Am Mittwoch, 2. Juni, kurz vor Mitternacht und damit dem Ablauf der ihm gewährten Frist, meldete Lapid dem Staatspräsidenten, dass er eine Koalition mit acht in der Knesset vertretenen Partei zusammen bekommen habe.
(RK)
Das Ende einer Ära: Israel bekommt neuen Premierminister und Präsidenten
Israel-Zwischenzeilen, Nr. 24/2021, 16.6.2021
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