Dringliche Sondersession der UN-Generalversammlung zur russischen Invasion der Ukraine
UN-Generalversammlung stimmt in Sondersession Resolution gegen Russland zu
Am Mittwoch, 2. März, am dritten Tag der «Emergency Special Session», der Dringlichen Sondersession, hat die UN-Generalversammlung eine Resolution angenommen, mit der Russland aufgefordert wird, die Offensive in der Ukraine sofort zu beenden.
Die Dringliche Sondersession, die 11. in der Geschichte der Vereinten Nationen, war auf Antrag des UN-Sicherheitsrates (Bild 1) einberufen worden, nachdem die Russische Föderation am Freitag, 26. Februar, eine Resolution, mit welcher «die Aggression Russlands gegen die Ukraine auf’s Schärfste bedauert und der sofortige Abzug seiner Truppen gefordert» wurde, – somit in eigener Sache – mit dem Veto zu Fall gebracht hatte (Bild 2).
Elf der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates hatten für die Resolution gestimmt, die von den Vereinigten Staaten und Albanien mitverfasst worden war. China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate enthielten sich der Stimme.
Die Chefin der Ständigen Mission der Schweiz bei den Vereinten Nationen in New York, Pascale Christine Baeriswyl, wies in ihrem Statement vor der Generalversammlung darauf hin, dass das russische Veto gegen Artikel 27 der UN-Charta verstossen habe. Die Russische Föderation hätte sich als Konflikpartei der Stimme enthalten müssen.
Die Sondersession der Generalversammlung begann am Montag, 28. Februar. Der Präsident der Versammlung, Abdulla Shahid, bat die Abgesandten der 193 UN-Mitgliedstaaten zu Beginn der Sitzung sich zu einer Schweigeminute zu erheben. Shahid wiederholte die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand, nach grösstmöglicher Zurückhaltung aller Parteien und nach «einer vollständigen Rückkehr zu Diplomatie und Dialog».
UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte vor der Generalversammlung, er hoffe, dass die gleichzeitig stattfindenden Gespräche von russischen und ukrainischen Gesanddten an der weissrussischen Grenze zu einer Einstellung der Kämpfe führten. «Die Waffen sprechen jetzt, aber der Weg des Dialogs muss immer offen bleiben», sagt er. «Wir brauchen jetzt Frieden.»
Vertreterinnen und Vertreter von rund 130 Staaten ergriffen im Verlaufe der Session das Wort. Erwartet wurden mindestens 100 Zustimmungen zur Resolution. Die Abstimmung des 193-köpfigen Gremiums ergab 141 Ja-Stimmen. 34 Staaten enthielten sich der Stimme, Russland und vier weitere Staaten lehnten die Resolution der UN-Generalversammlung ab.
Resolution der Generalversammlung fordert Ende der russischen Offensive in der Ukraine
So der Titel der offiziellen Verlautbarung der Vereinten Nationen vom 2. März zur 11. Dringlichkeits-Sondersession der UN-Vollversammlung zur Ukraine.
Und weiter (Übersetzung aus dem Englischen durch den GSI-Webmaster) :
«Die UN-Generalversammlung hat am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der Russland aufgefordert wird, seine Militäroperationen in der Ukraine unverzüglich zu beenden.
In der Vollversammlung, die informell als «Rathaus der Welt» bezeichnet wird, haben alle 193 UN-Mitgliedstaaten eine Stimme. Insgesamt 141 Länder (Anm. des GSI-Webmasters: inklusive Israel und die Schweiz) stimmten für die Resolution, in der die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine bekräftigt wird.
Der Präsident der Versammlung, Abdulla Shahid, hatte Mühe, das Abstimmungsergebnis zu verlesen, da die Botschafter zunächst applaudierten und dann aufstanden, als er zu sprechen begann.
Bedingungsloser Rückzug verlangt
In der Resolution wird gefordert, dass Russland «unverzüglich, vollständig und bedingungslos alle seine militärischen Kräfte aus dem Gebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen abzieht».
Der Antrag wurde von mehr als 90 (es waren 94) Ländern unterstützt (Anm. des GSI-Webmasters: inkl. Israel und die Schweiz) und benötigte eine Zweidrittelmehrheit in der Versammlung, um verabschiedet zu werden.
Fünf Länder – Belarus, die Demokratische Volksrepublik Korea (besser bekannt als Nordkorea), Eritrea, Russland und Syrien – stimmten dagegen, während sich 35 Länder der Stimme enthielten (Anm. des GSI-Webmasters: darunter die Volksrepublik China und Indien, aber auch der Iran und Irak).
-> Tafel mit dem Abstimmungsergebnis siehe Bild 5
Die Abstimmung bildete den Abschluss einer seltenen Dringlichkeitssitzung der Generalversammlung, die am Montag begonnen hatte und in der die Länder auf dem Podium ihre Positionen zu der Krise, die nun in die zweite Woche geht, darlegten.
«Laut und deutlich»
In einem anschliessenden Gespräch mit Reportern sagte Shahid, die Resolution spiegele die grosse Besorgnis der internationalen Gemeinschaft über die Lage in der Ukraine wider.
«Ich schliesse mich den Mitgliedstaaten an, die ihre Besorgnis über ‹Berichte über Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser sowie über Opfer unter der Zivilbevölkerung, darunter Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kinder› zum Ausdruck bringen», sagte er und zitierte aus dem Text.
UN-Generalsekretär António Guterres, der ebenfalls zu den Reportern sprach, erklärte, er sei verpflichtet, sich an die Resolution zu halten und sich von ihrem Aufruf leiten zu lassen.
«Die Botschaft der Generalversammlung ist laut und deutlich: Beendet die Feindseligkeiten in der Ukraine jetzt. Bringt die Waffen jetzt zum Schweigen. Öffnet jetzt die Tür für Dialog und Diplomatie.»
Die Uhr tickt
Der UN-Chef betonte, dass schnell gehandelt werden müsse, da sich die Lage in der Ukraine weiter zu verschlimmern drohe: «Die Uhr tickt wie eine Zeitbombe.»
Ein am Dienstag veröffentlichter Aufruf zur humanitären Hilfe sei mit einer «rekordverdächtigen Grosszügigkeit» beantwortet worden, was eine Ausweitung der lebenswichtigen Hilfe, einschliesslich medizinischer und gesundheitlicher Versorgung sowie Nahrungsmittel, Wasser und Schutz, ermöglichen werde.
«Mit Blick auf die Zukunft werde ich weiterhin alles in meiner Macht Stehende tun, um zu einer sofortigen Einstellung der Feindseligkeiten und dringenden Friedensverhandlungen beizutragen», sagte Guterres vor Journalisten.
Grund zum glauben
«Die Menschen in der Ukraine brauchen dringend Frieden. Und die Menschen auf der ganzen Welt fordern ihn.»
Für den ukrainischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Sergiy Kyslytsya, war dies «ein entscheidender Tag», wie er in seiner Erklärung vor der Vollversammlung sagte.
«Die UNO ist noch immer lebendig und durchläuft den Prozess der Katharsis», sagte er. «Ich glaube an die Vereinten Nationen; jetzt haben die Menschen in der Ukraine noch mehr Gründe, an die Vereinten Nationen zu glauben».
Hören Sie die
Kommentare von Abdulla Shahid, dem Präsidenten der Generalversammlung, nach der Abstimmung
Video, UN Web TV, 2.3.2022, 2:13 Min., englisch (ans Ende des Textes scrollen)
Resolution «Aggression against Ukraine»
«Meetings Coverage» (Sessions-Berichterstattung) vom 28.2.2022
«United Nations Stands with People of Ukraine, Secretary-General Tells General Assembly, Stressing ‘Enough Is Enough’, Fighting Must Stop, as Emergency Session Gets Under Way»
u.a. mit Statements des Versammlungspräsidenten Abdulla Shahid (Maldives), des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres, der Vertreter der Ukraine, der Russischen Föderation, der Schweiz (Pascale Christine Baeriswil).
Übersetzung aus dem Englischen:
PASCALE CHRISTINE BAERISWYL (Schweiz) erinnerte daran, dass das Veto der Russischen Föderation – ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates – gegen den Resolutionsentwurf vom Freitag gegen Artikel 27 der Charta verstösst und dass sich dieses Land als Konfliktpartei der Stimme hätte enthalten müssen. Sie brachte ihre Unterstützung für den Resolutionsentwurf der Generalversammlung zum Ausdruck und forderte alle Mitgliedstaaten auf, dies ebenfalls zu tun. Die Versuche der Russischen Föderation, ihre Aktion zu legitimieren, sind nicht glaubwürdig; es gab keine Provokation, die einen solchen Angriff rechtfertigen würde. Sie appellierte an die Russische Föderation, wie alle Kernwaffenstaaten, sich jeglicher Drohung mit dem Einsatz dieser Waffen oder gar deren Einsatz zu enthalten, und wies darauf hin, dass sich die Russische Föderation soeben einer Erklärung der fünf ständigen Ratsmitglieder angeschlossen hat, in der bekräftigt wurde, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf. Sie appellierte an alle Parteien, das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu achten und verurteilte alle Verstösse, auch im Cyberspace. Sie begrüsste das Angebot des Generalsekretärs, gute Dienste zu leisten, die diplomatischen Bemühungen der Mitgliedstaaten und die Nachricht, dass sich die Konfliktparteien heute zu ersten Verhandlungen getroffen haben: «Dieser Konflikt kann – wie alle Konflikte – nur durch Dialog gelöst werden.»
«Meetings Coverage» (Sessions-Berichterstattung) vom 1.3.2022
«As Russian Federation’s Invasion of Ukraine Creates New Global Era, Member States Must Take Sides, Choose between Peace, Aggression, General Assembly Hears»
u.a. mit dem Statement der stellvertrenden Botschafterin Israels (Noa Furman; Bild 6)
Übersetzung aus dem Englischen:
NOA FURMAN (Israel) sagte, dass ihr Land, das viele Kriege erlebt habe, aus erster Hand wisse, dass Krieg nicht der Weg zur Konfliktlösung sei. Der russische Angriff auf die Ukraine sei ein schwerer Verstoss gegen die internationale Ordnung. Sie verurteilte diesen Angriff und forderte die Russische Föderation auf, «die Aufrufe der internationalen Gemeinschaft zu beherzigen», den Angriff einzustellen und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren. Angesichts der engen Beziehungen Israels zu beiden Ländern ist das Land bereit, auf Wunsch zu den diplomatischen Bemühungen beizutragen. Sie äusserte sich besorgt über die wachsende humanitäre Krise und erklärte, dass ihr Land der ukrainischen Bevölkerung humanitäre Hilfe in Form von medizinischen Hilfsgütern, Wasseraufbereitungssystemen, Notfallsets für die Wasserversorgung und Winterausrüstung zur Verfügung stellen werde. Sie erinnerte dabei an die Worte des Propheten Jesaja: «Kein Volk wird mehr das Schwert gegen ein anderes Volk erheben, und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen».
«Meetings Coverage» (Sessions-Berichterstattung) vom 2.3.2022
«General Assembly Overwhelmingly Adopts Resolution Demanding Russian Federation Immediately End Illegal Use of Force in Ukraine, Withdraw All Troops»
Statement von UN-Generalsekretärs António Guterres nach der Sondersession
Video, UN Web TV, 2.3.2022, 0;38 Min,, englisch
Weitere Videos
Ukraine: General Assembly Emergency Special Session
1. Plenarsitzung der 11. Dringlichkeits-Sondersession der UN-Vollversammlung zur Ukraine, auf Ersuchen des UN-Sicherheitsrats
Video, UN Web TV, 28.2.2022; 3:07:38 Std., englisch
General Assembly President on Ukraine at Emergency Special Session
Eröffnung der 11. Dringlichkeits-Sondersession der UN-Vollversammlung zur Ukraine
durch Abdulla Shahid, Präsident der 76. Session der Generalversammlung
Video, UN Web TV, 28.2.2022; 13:14 Min., englisch
«Enough is enough, fighting in Ukraine must stop now», says António Guterres, UN Secretary-General
«Genug ist genug, die Kämpfe in der Ukraine müssen jetzt aufhören», sagt António Guterres, UN-Generalsekretär
Ansprache bei der Eröffnung der 11. Dringlichkeits-Sondersession der UN-Vollversammlung zur Ukraine
Video, ThePrint, 28.2.2022, 8:07 Min., englisch
Die bisherigen Dringlichkeits-Sondersessionen
Gemäss der von der Generalversammlung am 3. November 1950 verabschiedeten Resolution 377A(V), «Einigkeit für den Frieden», kann innerhalb von 24 Stunden eine «Dringlichkeits-Sondersession» einberufen werden:
Liste der bisherigen Sondersessionen
(RK)
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