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Internationaler Holocaust-Gedenktag

Am Sonntag, 27. Januar, findet der Holocaust-Gedenktag statt. Die internationale Gemeinschaft gedenkt der 6 Millionen Opfer des Völkermordes an den Juden und weiterer Minderheiten durch das Nazi-Regime. Die Schrecken dieses Völkermords kann wohl nur an Einzelschicksalen halbwegs richtig erahnt werden. David Leitner ist ein Zeitzeuge des Holocausts.

Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wurde am 27. Januar 2005 durch die Vereinten Nationen eingeführt, 60 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee.

Bereits vor der UNO-Proklamation wurde unter anderem in Grossbritannien und Deutschland ein Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen.

Israel begeht seit 1951 mit dem Jom haScho'a am 27. Nisan des jüdischen Kalenders einen jährlichen Gedenktag. Er fällt dieses Jahr auf den 2. Mai.

Holocaust, Schoah

In der deutschen Sprache gibt es keinen Ausdruck für die ideologische Verfolgung der Juden, die Gräueltaten und Qualen, die an ihnen verübt wurden, und den fabrikmässig durchgeführten Massenmord, der durch das nationalsozialistische Regime begangen wurde.

Im Englischen benutzt man den Begriff Holocaust, der sich seit der Ausstrahlung des amerikanischen Fernsehfilms «Holocaust» im Januar 1979 auch im deutschsprachigen Raum verbreitete. Das Wort stammt aus dem Griechischen und findet über zweihundertmal Verwendung in der griechischen Bibelübersetzung des sogenannten Alten Testaments. Im Deutschen kann man es mit «Brandopfer» oder «Ganzopfer» wiedergeben. Es ist eine griechische Übertragung des hebräischen Worts «ola (kalil)» – «das, was ganz im Rauch aufsteigt». Seit dem 16. Jahrhundert wird das Wort Holocaust im Englischen zur Bezeichnung von Brandopfer bzw. für etwas, was ganz verbrannt ist, verwendet und meint im weiteren Sinne eine vollständige Zerstörung durch Feuer. So benutzt man es heute auch im Englischen für Grossbrände aber auch für Massenmorde.

Religiöse Juden haben sich gegen die Verwendung dieses Wortes ausgesprochen, weil das Brandopfer der Torah ein Gott dargebrachtes Opfer sei, und derjenige, der es darbringt, sich in der Obhut Gottes wisse. «Holocaust» würde in diesem Sinne bedeuten, dass die Juden von Gott als Brandopfer gefordert wurden und dass somit die Ermordung von 6 Millionen Juden religiös legitimiert war.

Das hebräische Wort Schoah ist ebenfalls ein biblischer Begriff und steht z.B. im Zusammenhang mit Jesajas Warnung und Prophezeiung an die Bewohner des Nordreichs, über die aufgrund ihres sündigen Verhaltens grosses Unheil hereinbrechen wird (Jes 10,3; vgl. auch Jes 47,11; Ps 35,8). Schoah drückt die Bedeutungen «Unheil» «Verderben» oder «Untergang» aus. Seit 1942 setzte sich im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina der Begriff Schoah durch und wurde im gleichen Jahr auch von der Jewish Agency in einer offiziellen Erklärung verwendet. Das Wort Schoah ist der offizielle Begriff im Staat Israel und dient im Neuhebräischen ausschliesslich zur Bezeichnung der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden unter dem Nationalsozialismus.
Quelle: HaGalil.com

Antisemitismus und Unwissenheit

Heute sieht man sich in vielen Ländern mit zunehmendem Antisemitismus konfrontiert – je nach Land mehr oder weniger intensiv bis gewalttätig. Die nach den Naziverbrechen verbreitete Scheu, sich als Antisemit zu erkennen zu geben, ist gewichen. Antisemiten stehen mit ihrem Namen zu ihrer Haltung – und ihren Untaten.

Anderseits entschwindet die Erinnerung an die Schoah zunehmend aus dem Bewusstsein der jungen Leute. Die Luzerner Zeitung (LZ, Ausgabe vom 19.1.2019) zitiert Christian Koller, Titularprofessor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich mit der Feststellung: «Heute ist bei vielen jungen Menschen ein erschreckend grosses Unwissen über den Holocaust festzustellen».

Die LZ berichtet weiter, eine Studie des amerikanischen Fernsehsenders CNN vom November letzten Jahres habe bestätigt, dass 40 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 34 Jahren angaben, kaum oder keine Informationen über den Massenmord an Juden zu haben. Yad Vashem, die israelische Gedenkstätte an die nationalsozialistische Judenvernichtung, zeige sich besorgt angesichts der offenbar weit verbreiteten Unwissenheit über den Holocaust.

Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die Situation bei den jungen schweizerischen Generationen diesbezüglich vergleichbar ist.

Die letzten Überlebenden der Schoah dürften bald alle gestorben sein und können nicht mehr Zeugnis ablegen über das unvorstellbare Verbrechen, dem sie entronnen waren.

Diesen Monat zeigen die drei deutschen Regionalsender NDR, SWR und WDR die vierteilige US-amerikanische Serie «Holocaust – Das Leben der Familie Weiss». Ausserdem wird ab dem 27. Juli eine von Universal Pictures technisch überarbeitete Version des mit sieben Oscars ausgezeichneten Spielfilms «Schindlers Liste» von Steven Spielberg in den Kinos gezeigt. Er erzählt die wahre Geschichte von Oskar Schindler, der 1200 Juden vor dem Tod bewahrt hat.

Professor Christian Koller empfiehlt, den Film in Schulen zu zeigen mit dem Hinweis, dass es sich um einen Spielfilm handle. Auf jeden Fall müsse danach über die Nazi-Verbrechen im Unterricht gesprochen werden. Koller betont: «Solche Filme sind wichtig. Heute ist bei vielen jungen Menschen ein erschreckend grosses Unwissen über den Holocaust festzustellen.»

Als «Schindler’s List» 1994 in den Kinos über die Leinwand lief, löste er – vor allem im Land der Täter – eine Diskussion aus. Im Zentrum stand die Frage, inwieweit ein Hollywood-Produkt dem Ernst des Themas gerecht werden könne.

Der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog erklärte anlässlich der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Steven Spielberg: «Je mehr uns die Gegenwart lebendiger Zeitzeugen abhanden kommt, desto wichtiger wird es, andere Formen zu finden, die uns unsere Geschichte sinnlich erfahren lassen. Mit Ihrem Film haben Sie dem Grauen und der Hoffnung Gesichter gegeben.»

Falafel essen mit dem Staatspräsidenten

Israels Staatspräsident Reuven (Ruvi) Rivlin und seine Frau Nechama haben am Donnerstag, 17. Januar, David (Dugo) Leitner und seine Familie zum Falafel-Essen eingeladen. Warum Falafel? Dugo ist ein Holocaust-Überlebender. Die Falafel haben für ihn einen direkten Bezug zum Grauen von Auschwitz.

Lesen Sie den Hintergrund dieser speziellen Einladung, kurz vor dem Holocaust-Gedenktag.

(RK)

 

 

 

Der 88-jährige Holocaust-Überlebende David (Dugo) Leitner (links) bei der Begrüssung durch den Gastgeber des Falafel-Essens, Staatspräsident Reuven Rivlin (Bild: Mediendienst der israelischen Regierung)

Wie jedes Jahr in Erinnerung an den Traum von den «Bilkelach»-Brötchen auf dem Todesmarsch: Falafel-Essen mit Frau (3. v.l) und den Kindern, diesmal beim Staatspräsidenten und seiner Frau (Bild: Mediendienst der israelischen Regierung)