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Israel trauert: Lag BaOmer-Feier endete in einer Katastrophe

Fassungslosigkeit und Trauer: Was in der Nacht auf Freitag (30.4.) am Berg Meron im Norden Israels, als ein Fest der Freude begann, endete in einer Tragödie. 45 Menschen, darunter Jugendliche und Kinder, verloren ihr Leben. Über 150 weitere Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer.

Meron

Der Berg Meron, nordwestlich der Stadt Safed, ist nach dem Berg Hermon mit 1208 m die zweithöchste Erhebung in Israel und der regenreichste Punkt des Landes. An seinem Fusse befindet sich das Dorf, genauer der Moschaw gleichen Namens (Bild 1) mit rund 1‘000 Einwohnern. (Karte 2)

Lag BaOmer

Nicht nur am Berg Meron, sondern in ganz Israel und auch in der Diaspora freute sich die jüdische Bevölkerung auf das Fest Lag BaOmer, ein festlicher Tag im jüdischen Kalender. Er wird mit Ausflügen, auf denen die Kinder traditionell mit Pfeil und Bogen spielen, mit Lagerfeuern, Paraden und andern fröhlichen Veranstaltungen gefeiert (Bild 3). Es ist ein Halbfeiertag, der an einem festen Tag zwischen Pessach und Schawuot, am 18. Ijar nach jüdischem Kalender, begangen wird.

Lag BaOmer erinnert der Tradition nach auch – welch schicksalhafter Zufall in dieser Zeit – an das Ende einer Epidemie vor rund 2‘000 Jahren, zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstands (132–135 n. u. Zeitr.), daher die Spiele der Kinder mit Pfeil und Bogen an diesem Tag.

Die Chassidim feiern Lag BaOmer in Meron

Rabbi Schimon Bar Jochai, der auch an dem Aufstand gegen die Römer beteiligt war, liegt am Berg Meron begraben. Sein Grab (Bild 4) ist ein Wallfahrtsort, den jedes Jahr an diesem Feiertag Zehntausende, vorwiegend Chassidim (jüdische Gläubige der ultra-orthodoxen Ausrichtung), besuchen. Dieses Jahr waren es geschätzte 100‘000 (Bild 5), weit weniger als in den Vorjahren, abgesehen von 2020, als pandemiebedingt starke Restriktionen in Kraft waren. Bei der Feier in diesem Jahr handelte es sich um die grösste Veranstaltung in Israel seit Beginn der Corona-Pandemie.

45 Todesopfer, über 150 Verletzte

45 Menschen kamen als Folge einer Massenpanik (Video) ums Leben. Unter den Opfern befinden sich auch zwei Brüderpaare im Alter von 12 und 14 sowie 12 und 18 Jahren. Insgesamt verloren 16 Knaben und junge Männer zwischen 9 und 20 Jahren Ihr junges Leben. Auch Staatsbürger aus den USA, aus Kanada und Argentinien wurden unter den Toten identifiziert (Bild 6). Rund 150 Menschen erlitten zum Teil schwere Verletzungen.

Da Männer und Frauen das Fest in getrennten Abschnitten des Geländes begingen und die Massenpanik in einem den Männern vorbehaltenen Bereich ausbrach, handelt es sich bei den Opfern ausschliesslich um Männer und Knaben.

Die Mehrzahl der Opfer und Verletzten sollen der strenggläubigen chassidischen Gruppe der Toldot Acharon angehören, die in Jerusalem beheimatet ist.

Die Verletzten wurden in Spitäler in Safed, Naharija, Haifa, Tiberias und Jerusalem eingeliefert.

«Wir haben es gerade mit einem der schlimmsten Unglücke Israels zu tun», sagte Dov Meisel von der Rettungsorganisation United Hatzalah am frühen Freitagmorgen in einem Interview. Die Helfer seien grauenhaften Anblicken ausgesetzt gewesen, die es seit den blutigsten Tagen der Terrorwellen zu Beginn der 2000er Jahre nicht mehr gegeben habe.

Wie die meisten israelischen Medien veröffentlichte auch die Times of Israel die Namen und Porträts der Todesopfer.

Grosse Rettungsaktion in chaotischer Situation

Die Rettungsaktion lief innert kurzer Zeit an. Eine unübersehbare Anzahl Ambulanzen (Video) traf ein, ebenso sechs Rettungshelikopter.

Die Polizei veröffentlichte ein Video, das die Bemühungen zur Evakuierung von Opfern vom Berg Meron zeigt.

Einsatz der Rettungskräfte
Video, Israel Police, 30.4.2021, 2:06 Min.

Ein Sprecher von Magen David Adom (Roter Davidstern) wurde mit der Aussage zitiert, sie hätten einige Verletzte am Unfallort zurücklassen müssen, da sie als nicht rettbar erachtet wurden.

Premierminister a.i. Benjamin Netanyahu traf um 11 Uhr vormittags am Ort der Katastrophe ein (Bild 7). Er wurde vom Minister für öffentliche Sicherheit, Amir Ohana, dem Chef der nationalen Polizei, Kobi Schabtai, und anderen Beamten über die Situation vor Ort informiert (Bild 8). Der Premier ordnete an, den folgenden Sonntag zum Tag der nationalen Trauer zu erklären.

Viele Leute suchten nach vermissten Angehörigen; Retter trafen auf Leichen, neben denen ihr Smartphone klingelte. Der Mobilfunkempfang in Meron brach schlliesslich zusammen;

Das Transportministerium schickte 300 Busse, um die Pilger zu evakuieren. Die Kolonne der Busse erstreckte sich am Freitagmorgen vom Grab des Rabbiners Schimon Bar Jochai weit zurück und kroch im Schneckentempo auf die Pilgerstätte zu, um die unorganisierten Menschenmassen – Männer und Frauen, Junge und Alte – aufzunehmen, die nach dem tödlichen Gedränge in der Nacht zuvor darauf warteten, den Ort zu verlassen. (Bild 9).

Der Massenexodus, Stunden nach der tödlichen Katastrophe, war voller Verwirrung und Frustration, als die Polizei versuchte, die Tausenden von Menschen, die sich noch auf Wallfahrtsgelände befanden, zu Bussen zu bewegen, die sie in die grossen ultra-orthodoxen Zentren bringen sollten: Jerusalem, Beit Schemesh, Bnei Brak, Tiberias und Safed, oder zu nahe gelegenen Bus- und Bahnhöfen. Um bei der Evakuation zu helfen, schickte die israelische Eisenbahn 13 Extrazüge zum nächstgelegenen Bahnhof Carmiel.

Hilfsbereite Einwohner der Umgebung

Bewohner Merons und der arabischen Dörfer in der Nähe von Meron boten den vielen Menschen, die wegen verstopften Verkehrswegen nicht evakuiert werden konnten, kostenlos Essen und Trinken an. Es war zu befürchten, dass die bevorstehende Hitze des Tages (Tiberias am See Genezareth 36 Grad, Haifa 29 Grad) den Leuten zusetzen würde. Ausserdem öffneten die Meroner ihre Häuser für Retter und Evakuierte.

«Call center» in der Residenz des Präsidenten

Staatspräsident Reuven Rivlin wies am Freitagmorgen sein Büro an, eine Hotline für Familien einzurichten, die nach ihren nach dem Massensterben vermissten Angehörigen suchten. Die Telefonnummer 02-670-7211 war auch den ganzen Schabbat über besetzt.

«Liebe Familien, bitte rufen Sie das Büro des Präsidenten an, wenn Sie nach Ihren Angehörigen suchen, oder schicken Sie uns eine Nachricht über soziale Medien. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, sie über die zuständigen Behörden zu finden», hiess es in der Erklärung des Präsidenten.

«Dies ist ein schrecklicher, schmerzhafter Tag. Eine herzzerreissende Tragödie», sagte Rivlin in einer Erklärung. «Unsere Gebete und Gedanken sind bei den Verletzten und bei den Familien derer, die bei der schrecklichen Tragödie auf dem Har Meron letzte Nacht getötet wurden und vermisst werden. Jetzt ist es an der Zeit, die Familien zu umarmen, all jenen zu helfen, die nach ihren Angehörigen suchen, die Verletzten in unsere Herzen zu nehmen. Um gemeinsam zu weinen.

Ich sende meinen tief empfundenen Dank an diejenigen, die seit letzter Nacht ohne Unterbrechung arbeiten, um zu retten und medizinisch zu versorgen.»

Vor der Präsidentenresidenz wurde ein Tisch mit einer Gedenkkerze für jedes der Opfer aufgestellt, die der Präsident anzündete (Bild 10).

Magen David Adom rief zu Blutspenden auf und eröffnete im ganzen Land Spendestandorte. Hunderte Menschen standen im ganzen Land zur Blutspende an, in Tel Aviv warteten einige stundenlang in der Schlange.

Auch Premierminister Benjamin Netanjahu begab sich ins Jerusalemer Scha‘are Zedek Medical Center und spendete Blut (Bild 11). «Danke an die vielen Bürger Israels, die heute Blut gespendet haben», twittert er. «In den Momenten, die uns auf die Probe stellen, vereinigt sich unser Volk, wie wir heute sehen.»

2‘208 Israelis spendeten Blut
Video (2,208 Israelis donated blood Friday following Meron calamity)

Die israelische Fluggesellschaft El Al offerierte am Wochenende nahen Angehörigen von Toten oder Verletzten der Katastrophe Gratisfüge nach Israel. Pro Familie wurden je zwei Tickets angeboten, die bis zum 4. Mai zu benutzen waren. Die Immigrationsbehörde bot ihre Hilfe bei der Beschaffung der Reiseerlaubnis an.

Die mutmassliche Ursache der Katastrophe

Um 1 Uhr nachts ereignete sich die Katastrophe, als sich eine grosse Zahl Leute auf einem abschüssigen Korridor Richtung Ausgang bewegte. Menschen begannen auf einer Treppe eines rutschigen Weges mit Metallboden zu stolpern und fielen auf dem überfüllten Weg übereinander, wodurch ein tödlicher Dominoeffekt entstand. Eine Person nach der anderen fiel und die Körper begannen sich aufeinander zu stapeln, während die Menge weiter in Richtung Ausgang drängte. (Bild 12)

Illustrierte Chronologie des Unfallablaufs

Unverständliche Unvernunft

Hunderte von Strenggläubigen weigerten sich nach dem Unglück, nur wenige Meter vom Schauplatz der tödlichen Massenpanik entfernt, den Unglücksort zu verlassen und stellten sich der Polizei entgegen. Wie die Times of Israel berichtete, folgten sie den Anweisungen der Polizei nicht. Es sei unweit des Ortes der Panik auch zu Auseinandersetzungen gekommen. «Ich will beten. Sie blockieren uns ohne Grund», zitierte die Zeitung einen protestierenden Chassiden.

Physische Angriffe auf Retterinnen

Während dieses Verhalten allenfalls noch dem Schock durch das Erlebte zugeschrieben werden kann, sind verbale und gar physische Attacken auf Retter nicht nachzuvollziehen.

Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) hatten Einheiten des Home Front Command  (Heimatfront-Kommando), Spezialisten für die Rettung und Bergung von Zivilisten bei Kriegen und Katastrophen (Bild 13), entsandt. Nach Armeeangaben wurden Soldatinnen, die beim Abtransport von Verletzten eingesetzt waren, von Chassidim angegriffen.

Streng gläubige ultra-orthodoxe Juden, vermeiden jeglichen physischen Kontakt mit Frauen, ausser der eigenen. Bei allem Respekt für Menschen, die die Vorschriften ihrer Religion befolgen, befremdet es doch, wenn Retterinnen in einer solchen Ausnahmesituation physisch angegriffen werden.

Stellungnahme der Armeeleitung

Laut IDF ignorierte die Einheit die Attacken und fuhr auch während der Angriffe mit ihrer ohnehin schon schwierigen Aufgabe fort. Die Übergriffe wurden von den Militärs erst nach dem Ende ihres Einsatzes vor der Rückkehr zu ihrer Basis besprochen.

Verteidigungsminister Benny Gantz bezeichnete die Rettung von Menschenleben als Aufgabe von «höchstem Wert». «Ich bin stolz auf die Soldatinnen und Soldaten, die den Verwundeten in Meron geholfen haben», sagte Gantz. «Ich verurteile all jene, die sie während der Arbeit attackierten».

«Die IDF verurteilen jede Form von körperlicher oder verbaler Gewalt gegen ihre Soldatinnen und Soldaten und betrachten solche Vorfälle mit grosser Ernsthaftigkeit», heisst es in einer Erklärung der Armee. «Die IDF und ihr Heimatfront-Kommando werden weiterhin jeden Bürger oder Bewohner in Not retten, ihnen helfen und sie unterstützen.»

Behörden warnten seit Jahren

«Am Berg Meron war die Schrift an der Wand», titelte Israel Hayom am Sonntag (2.5.) und sagte damit alles. Der State comptroller und die Polizei hatten wiederholt vor den Gefahren von Massenveranstaltungen am Berg Meron gewarnt, die Knesset hatte Anhörungen abgehalten, doch kaum etwas geschah.

Wie die israelischen Medien berichten, hatte der Staatliche Kontrolleur mehrmals darauf hingewiesen, dass das Gelände am Berg Meron schlecht ausgestattet sei für die Hunderttausende, die dort jedes Jahr die Lag BaOmer-Feiern besuchen. Er hatte in einem Bericht 2008 ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Massenunfall hingewiesen und gewarnt, dass die Zugangswege für Rettungsdienste nicht geeignet seien. Er warnte vor «systemischem Versagen auf dem Rashbi [Rabbi Schimon Bar Jochai]-Gelände», weil «viele verschiedene Stellen an der Verwaltung beteiligt sind». Er wies darauf hin, dass es sich um eine chaotische Situation handle, die zu Schäden an der heiligen Stätte führen und die Gläubigen in Gefahr bringen würde.

In einem Folgebericht aus dem Jahr 2011 hatte der State comptroller noch einmal betont, dass die Stätte nicht ausreichend auf den Empfang von Hunderttausenden von Menschen vorbereitet sei, dass die Regierung ihre Politik konsolidieren müsse, um entweder den Regionalrat Merom Hagalil (regionale Behörde) bei der Instandhaltung des Berges Meron zu unterstützen oder das Innenministerium mit dieser Aufgabe zu betrauen.

«Die bestehende Situation sollte nicht fortgesetzt werden, nicht zuletzt in Anbetracht der vernachlässigten Struktur der sowohl national als auch religiös bedeutenden Stätte. Sie ist allenfalls zu schliessen», hielt der staatliche Kontrolleur fest.

Die verschiedenen Berichte zeigten, dass nach den üblichen behördlichen Sicherheitsvorschriften für öffentliche Versammlungen nicht mehr als etwa 15‘000 Menschen auf dem Gelände hätten zugelassen werden dürfen.

Auch ein interner Polizeibericht aus dem Jahre 2016 warnte vor dem Potential für Chaos und Katastrophen auf dem Gelände. Damals hatten laut Daten des Verkehrsministeriums insgesamt 223‘000 Menschen – 15 Mal die vorgeschriebene Höchstzahl – die Wallfahrtsstätte anlässlich Lag BaOmer besucht.

Nur eine Frage der Zeit

Ilan Mor, Leiter der operativen Abteilung der nationalen Verkehrspolizei, gab seinem 2016 verfassten Bericht den Titel «Meron revelry: Erasing the writing on the wall» (Meron-Prasserei: Auslöschen der Schrift an der Wand). Er analysierte darin vergangene Tragödien, die sich durch zu grosse Massen bei öffentlichen Veranstaltungen ereignet hatten, einschliesslich Unfälle und Fast-Katastrophen in Meron selbst. Er kam zum Schluss, dass die Infrastruktur der heiligen Stätte die grosse Zahl Besuch nicht verkraften könne. Er forderte, die Zahl der Teilnehmer an den Lag BaOmer-Feiern zu begrenzen und einen einzigen Organisator zu ernennen, der für die Stätte verantwortlich ist, anstatt jeder chassidischen Sekte zu erlauben, ihren eigenen Bereich zu verwalten.

Mor argumentierte in seinem Bericht, dass eine Tragödie nur eine Frage der Zeit sei, wenn Schritte wie die Benennung eines Produzenten und die Begrenzung der Teilnehmerzahl bei der nächsten Lag BaOmer-Veranstaltung am Berg Meron nicht unternommen würden.

Untersuchungen laufen an

Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit kündigte noch am Freitag an, dass die Abteilung für polizeiinterne Ermittlungen des Justizministeriums (Police Investigation Department; PID) die Ermittlungen von der Polizei übernommen habe, da die Polizei selbst des Fehlverhaltens verdächtigt werden könnte.

Der Minister für öffentliche Sicherheit, Amir Ohana, dem die Polizei unterstellt ist und der am Donnerstag nur wenige Stunden vor der tödlichen Massenpanik in Meron anwesend gewesen war, forderte eine unabhängige Untersuchung. «Es ist klar, dass eine unabhängige Untersuchung aller Aspekte, die mit der Planung der Veranstaltung zusammenhängen, notwendig ist, einschliesslich der Vorbereitungen, Verantwortlichkeiten, Infrastruktur und dergleichen», präzisierte Ohana.

Gemäss israelischen Medien soll es im Vorfeld der Feierlichkeiten einen immensen Druck von Seiten religiöser Knesset-Abgeordneter und Minister gegeben habe, um sicherzustellen, dass die Zahl der zur Feier in Meron zugelassenen Teilnehmer nicht eingeschränkt werden würde. Dies nachdem ein vom Gesundheitsministerium in Absprache mit weiteren Regierungsstellen, der Polizei und anderen ausgearbeiteter Rahmenplan die Teilnehmerzahl auf 9'000 begrenzt hatte, wie die Times of Israel berichtete.

Die Regierung hatte keine Einigung darüber erzielen können, wie die Feierlichkeiten zu handhaben seien, da Premierminister Benjamin Netanjahu Berichten zufolge darauf bedacht war, die Charedi-Parteien (und potenziellen Koalitionspartnern in einer neuen Regierung) nicht durch Einschränkungen zu verärgern, wie die Times of Israel festhält.

Besuche an der Grabstätte im Innern, wurden zwar auf ein paar Minuten pro Person begrenzt und nicht mehr als 10‘000 Menschen waren an den Lagerfeuern erlaubt, wie die Polizei bekanntgab. Und zwar nur Pilger im Besitze des grünen Passes, der Bestätigung einer Impfung gegen oder Genesung von COVID-19.

Die Polizei war mit rund 5‘000 Kräften im Einsatz, doch erklärten sie, dass ihnen das Personal fehlte, um die entsprechenden Anordnungen durchzusetzen. Zehntausende strömten im Verlaufe des Donnerstagabends nach Meron.

Berichterstattung in deutschsprachigen elektronischen Medien

TV SRF 1, Fr. 30.4.2021, 19.30 Uhr, Tagesschau, Hauptausgabe
«Tote bei Massenpanik auf Fest in Israel» anklicken

TV Das Erste (ARD), Fr. 30.4.2021, 20.00 Uhr, Tagesschau, Hauptausgabe

TV ZDF, Fr. 30.4.2021, 21.50 Uhr, Heute-Journal
bei Position 13:13 Min. beginnend

Beileidsbezeugungen aus der ganzen Welt

Zahlreich waren die Beileidsbezeugungen von Vertretern anderer Staaten, die die israelische Regierung am Freitag erreichten. Aber auch viele Einzelpersonen schickten ihre Beileidsbezeugungen an den Staat Israel.

Königin Elizabeth II,  die Präsidenten der USA, Russlands, Serbiens und Zyperns, die Premierminister Grossbritanniens, Rumäniens und Litauens, der stellvertretende Premierminister der Ukraine, die Aussenminister und Aussenministerien Deutschlands, Österreichs, Finnlands, Schwedens, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Frankreichs, Italiens, Griechenlands, Polens, Indiens, der Europäischen Union sowie Botschafter und andere hochrangige Beamte sandten in den Stunden nach dem Ereignis Botschaften der Solidarität und des Mitgefühls an den Staat Israel und seine höchsten Vertreter.

König Abdullah von Jordanien rief Präsident Reuvin Rivlin an, um ihm im Namen des jordanischen Volkes sein Beileid auszusprechen. Auch Palästinenserpräsident Machmud Abbas sandte dem israelischen Präsidenten ein Kondolenzschreiben.

Darüber hinaus gingen auf den sozialen Medienkonten des Aussenministeriums Tausende von Beileidsbekundungen aus der ganzen Welt ein, auch aus vielen arabischen Ländern, sogar solchen, mit denen der Staat Israel keine formellen Beziehungen unterhält.

Der israelische Aussenminister Gabi Aschkenasi twitterte: «Mein Herz schmerzt über die schwere Katastrophe, die sich letzte Nacht in Meron ereignet hat. Ich stehe an der Seite der Rettungskräfte, die die ganze Nacht hindurch gearbeitet haben und immer noch vor Ort sind, um Leben zu retten. Unsere Herzen sind bei den Familien. Gesegnet sei das Andenken derer, die umgekommen sind. Den Verletzten rasche Genesung.»

Nationaler Trauertag

Zwei Tage nach dem tragischen Ereignis hat das Land am Sonntag (2.5.) einen nationalen Trauertag abgehalten. Flaggen an allen öffentlichen Gebäuden (Bild 14), Militärbasen sowie an diplomatischen Vertretungen Israels in aller Welt wurden auf halbmast gesetzt,. Alle Veranstaltungen wurden abgesagt, auch die wöchentliche Kabinettssitzung fiel aus.

Sondersitzung der Knesset

Im Gedenken an die Opfer wurde am Montag (3.5.), 16 Uhr, im Parlament eine Sondersitzung angesetzt. Die Abgeordneten hatten Gelegenheit, Gedenkkerzen anzuzünden

Der Knesset-Vorsitzende (Sprecher) Jariv Levin, eröffnete die ihm initiierte Sondertrauersitzung des Knesset-Plenums mit einer Schweigeminute. Anschliessend sprach er im Namen des gesamten Parlaments den Familien der Verstorbenen sein Beileid aus und sprach ein Gebet für die vollständige und baldige Genesung aller Verletzten.

Levin kommentierte die Notwendigkeit, Lehren für die Zukunft zu ziehen, indem er sagte: «Die schreckliche Katastrophe verlangt von uns, dass wir alle notwendigen Vorkehrungen treffen, damit sich eine ähnliche Katastrophe nie wieder ereignet. Auch in den kommenden Jahren wird eine grosse Öffentlichkeit versuchen, zum Berg Meron zu gehen und das Fest durchzuführen. Wir müssen alles tun, damit diese wichtige und besondere Tradition fortgesetzt wird. Wir müssen jedoch dafür sorgen, dass die Sicherheit und das Wohlbefinden der Festteilnehmer gewährleistet ist.

Wir sollten darauf achten, die ganze Angelegenheit unter Wahrung der Würde der Opfer der Katastrophe zu behandeln. Aber dafür wird noch Zeit sein. Bis dahin müssen wir uns trotz der grossen Schwierigkeit in Zurückhaltung üben. Jetzt ist die Zeit, der Toten zu gedenken und ihre Familien in ihrem grossen Schmerz zu unterstützen. Dies ist die Zeit, um ein Gebet für die Genesung der Verletzten zu sprechen. Mögen wir solche Katastrophen nie wieder erleben.»

Anschliessend sagte Premierminister Benjamin Netanjahu: «Es ist unsere grundlegende Verpflichtung, jeden Aspekt der Katastrophe von Mt. Meron zu untersuchen. Am Ende der Trauerzeit werden wir in geordneter, gründlicher und verantwortungsvoller Weise alle Fragen untersuchen, die mit der Versammlung am Berg Meron zusammenhängen, in der Gegenwart und in der Vergangenheit. Die Ankunft, die Sicherheit, der Ein- und Ausgang [der Feiernden], die Planung und der Einsatz von Kräften und vor allem die technischen Veränderungen, die am Ort notwendig sind, und die Frage der Enteignung, der Verwaltung und der Verantwortung. Wir werden alle Lehren für die Zukunft ziehen, damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt.

Mitglieder der Knesset, dies sind Tage des stechenden Schmerzes, die wir aus früheren nationalen Katastrophen kennen. In Momenten wie diesen sind wir mehr denn je aufgerufen, unsere innere Stärke und Zurückhaltung zu finden. (…)»

Der stellvertretende Ministerpräsident und Verteidigungsminister Benny Gantz sagte: «Wir haben die Soldatinnen und Soldaten, die medizinischen Teams, ZAKA, die Polizisten vor Ort und die Zivilisten gesehen, die uns geholfen haben. Shevet achim gam yachad (Brüder wohnen zusammen in Einheit), in schlechten Zeiten, aber auch in guten Zeiten. Wir alle schulden ihnen grosse Dankbarkeit, und viele Menschen verdanken ihnen ihr Leben. (…)»

Mehr: Medienmitteilung der Knesset (englisch)

Primär Ansteckungen mit dem Coronavirus befürchtet

Die Veranstaltung wurde zur grössten öffentlichen Versammlung in Israel seit dem Beginn der Pandemie, was die Gesundheitsbehörden beunruhigte. Ihre Sorge galt in erster Linie der Gefahr der Ausbreitung des Coronavirus.

In Israel ist zwar ein grosser Teil der Bevölkerung geimpft, aber eben nicht alle. Vor allem bezüglich der ultra-orthodoxen Bevölkerung gab es Bedenken.

«Wer nach Meron geht, muss wissen, dass er sein Leben in die Hand nimmt und wahrscheinlich denjenigen ausgesetzt ist, die mit dem Coronavirus infiziert sind und unbeaufsichtigt auf dem Platz herumlaufen», sagte ein ungenannter Gesundheitsbeamter dem öffentlichen Sender Kan am Vortag, am Donnerstag.

Letztes Jahr waren die Feierlichkeiten aufgrund der Ansteckungsgefahr stark eingeschränkt worden.

Die Regierung konnte keine Einigung darüber erzielen, wie die Feierlichkeiten zu handhaben seien, da Interims-Premierminister Benjamin Netanjahu Berichten zufolge darauf bedacht war, die Charedi-Parteien (und potenziellen Koalitionspartner in einer neuen Regierung) nicht durch Einschränkungen zu verärgern, wie die Times of Israel festhält. Ausserdem verlangte Innenminister Arjeh Deri, der Vorsitzende der ultra-orthodoxen Schas-Partei, gemäss TV-Kanal 12, vom Minister für öffentliche Sicherheit, Amir Ohana, «jeder der nach Meron kommen wolle, solle dies tun dürfen». Ohana genehmigte dies trotz gegenteiliger Bitten des Gesundheitsministeriums.

Besuche an der Grabstätte im Innern, wurden zwar auf ein paar Minuten pro Person begrenzt und nicht mehr als 10‘000 Menschen waren an den Lagerfeuern erlaubt, wie die Polizei bekanntgab. Und zwar nur Pilger im Besitze des grünen Passes, der Bestätigung einer Impfung gegen oder Genesung von COVID-19.

Die Polizei war mit rund 5‘000 Kräften im Einsatz, doch erklärten sie, dass ihnen das Personal fehlte, um die entsprechenden Anordnungen durchzusetzen, da im Verlaufe des Donnerstagabends Zehntausende nach Meron strömten.
(RK)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(RK)

 

Bild 1: Meron; im Vordergrund das Gelände mit dem Grab von Rabbi Schimon Bar Jochai (Israel Hayom)

Karte 2: Meron, ein Dorf (Moschaw) von rund 1‘000 Einwohnern im Norden Israels.

Bild 3: In ganz Israel werden zu Lag BaOmer Freudenfeuer entzündet (Archivbild Chabad)

Bild 4: Das Grab von Rabbi Schimon Bar Jochai in Meron

Bild 5: Teilnehmer der Wallfahrt stehen singend und tanzend auf den Tribünen.

Bild 6: Die 45 Opfer der Tragödie von Meron (Israelisches Aussenministerium)

Bild 7: Premierminister Netanjahu lässt sich am Unfallort informieren (Regierungs-Pressebüro GPO)

Bild 8: Der Kommandant (Commisioner) der Polizei. Kobi Schabtai (vorne) und der Kommandant des Nord-Distrikts, Schimon Lavi. Sie überwachten die Bergung der Toten und die Evakuierung der Verletzten und der Zehntausenden Besucher (Israel Police)

Bild 9: Massen von Menschen versuchen, in Busse zu steigen, um Meron nach dem tödlichen Gedränge zu verlassen (The Times of Israel).

Bild 10: Präsident Reuven Rivlin entzündet Kerzen zum Gedenken an die am Berg Meron tödlich Verunfallten (Regierungs-Pressebüro GPO)

Bild 11: Auch Premierminister Benjamin Netanjahu folgte dem Aufruf des Roten Davidsterns und spendete im Jerusalemer Scha‘are Zedek Medical Center Blut (Regierungs-Pressebüro GPO)

Bild 12: Situationsbild des Unfallortes (Haaretz)

Symbolbild 13: Soldatinnen und Soldaten einer «Search and Rescue Brigade» des «Home Front Command» der IDF bei einer Übung. Der Zweck der Einheit ist einfach: Leben zu retten.

Bild 14: Sonntag, 2. Mai 2021: Nationaler Trauertag. Die israelischen Flaggen an allen öffentlichen Gebäuden im ganzen Land und vor den diplomatischen Vertretungen Israels auf der ganzen Welt sind auf halbmast gesenkt. Bild: Die Flaggen vor der Knesset; The Jerusalem Post)