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Jom HaSikaron: Gedenken an die Gefallenen und Terroropfer

Am Dienstag (28.4.) beging Israel den «Gedenktag für die Gefallenen der Feldzüge Israels und die Opfer der Akte des Hasses»; auf Hebräisch «Jōm ha-Sikkarōn lə-Chalalej Maʿarachōt Jisra'el wə-Nifgaʿej Pəʿullōt ha-'Eīvah» oder kurz Jom HaSikaron.

Dieser Feiertag ehrt die gefallenen Angehörigen der Armee sowie der Polizei und weiterer Sicherheitsdienste, die im Kampf für Israels Existenz gestorben sind. Das Gedächtnis schliesst auch die gefallenen jüdischen Soldaten und Kämpfer des Untergrunds der Mandatszeit ein. Und es wird auch der Zivilisten gedacht, die dem vorwiegend palästinensischen Terrorismus zum Opfer gefallen sind.

Der Gedenktag wird seit 1949, dem ersten Jahrestag der Unabhängigkeit, begangen; seit 1963 ist er gesetzlich geregelt.

Opferzahlen

Die Zahl der israelischen Opfer, zu denen Soldaten, Polizisten, Schin Bet- und Mossad-Angehörige gehören, die während ihres Dienstes getötet wurden, beläuft sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom letzten Freitag auf 23‘816. Ausserdem wird an die 4‘166 Terroropfer erinnert.

Seit dem letztjährigen Gedenktag wurden 42 Soldaten und Angehörige der Sicherheitsdienste zu den Toten hinzugefügt; die niedrigste Zahl seit der Staatsgründung 1948. Weitere 33 sind behinderte Veteranen, die an Komplikationen aufgrund von Verletzungen starben, die sie während ihres Dienstes erlitten hatten. Seit dem letzten Gedenktag wurden somit 75 neue Namen in die Liste derer aufgenommen, die bei der Verteidigung des Landes ums Leben gekommen sind.

Mit gegen 24.000 Kriegs- oder Gefechtsopfern und über 4.000 Terroropfern sind in Israel nur wenige von der Gewalt unberührt geblieben. Die Friedhöfe sind an Jom HaSikaron in der Regel voll von Familien und Freunden, die ihren Angehörigen die letzte Ehre erweisen, zusammen mit Zeremonien verschiedener Regierungszweige, des Militärs und privater Gruppen, die der Gefallenen gedenken.

Trauer und Freude nahe beeinander

Der Nationalfeiertag wird am 4. Ijar nach jüdischem Kalender abgehalten, immer am Tag vor den Feierlichkeiten des israelischen Unabhängigkeitstages am 5. Ijar. Trauer und Freude sind in Israel oft nahe beeinander.

Den Gedenktag genau vor dem Unabhängigkeitstag zu feiern, soll die Menschen daran erinnern, welcher Preis für die Unabhängigkeit bezahlt werden musste (und noch muss) und was durch das Opfer der Soldaten erreicht wurde. Dieser Übergang zeigt die Wichtigkeit dieses Tages für die Israelis, von denen die meisten in der Armee gedient haben und in Verbindung stehen zu Menschen, die während ihrer Zeit beim Militär getötet wurden.

Jom HaSikaron 2020: Anders als sonst

Erstmals wich der Ablauf des Tagesvon jenem ab, der alljährlich Tradition ist. Die Corona-Pandemie zwang dazu. Die wesentlichen Zeremonien wurden abgehalten, allerdings ohne Publikum und mit einer kleinen Zahl an Offiziellen.

Erev HaSikaron (Vorabend des Gedenktages)

Jom HaSikaron begann am Vorabend um 20 Uhr (nach dem jüdischen Kalender beginnen die Tage mit dem Sonnenuntergang) mit einem einminütigen Signalton der Sirenen im ganzen Land. Während dieser Minute verharrten (fast) alle Israeli in Ruhe und gedachten der Opfer und zeigten ihnen Respekt. Viele religiös-zionistische Juden beteten in dieser Minute für die Seelen der gefallenen Soldaten.

Da dieses Jahr um 16 Uhr eine Ausgangssperre in Kraft trat, verharrten die meisten Menschen statt auf der Strasse auf den Balkonen ihrer Wohnungen.

Der offizielle Eröffnungzeremonie des Gedenktages fand ab 20 Uhr auf dem Platz vor der Westmauer («Klagemauer») in Jerusalem statt. Wie jedes Jahr, jedoch auch hier diesmal ohne Publikum. Der Staatspräsident, Reuven Rivlin, die Präsidentin des Obersten Gerichts, Esther Hayut, der Generalstabchef, Generalleutnant Aviv Kochavi und weitere Spitzen des Staates nahmen teil. Die aussergewöhnlichen Umstände sorgten für einige eindrückliche Bilder: Soldaten mit schützenden Gesichtsmasken standen stramm auf dem fast leeren Platz. Die Zeremonie wurde wie alle andern offiziellen Zeremonien live im Fernsehen übertragen. (Bilder 8 und 9)

Ansprache des Staatspräsidenten

Präsident Rivlin sagte in einer emotionellen Ansprache an die Hinterbliebenen, die nicht teilnehmen konnten: «In diesem Jahr sind Sie allein in Ihren Räumen und lauschen dem Echo ihrer Stimmen. Wir können nicht zu Ihnen nach Hause kommen, wir können nicht neben Ihnen auf den Soldatenfriedhöfen stehen. Wir können Sie nicht umarmen. Die Sirene durchbricht die Stille und bricht unsere Herzen», fügte er hinzu.

Rivlin räumte ein, wie schwer es für Familien ist, nachdem sie ihre Angehörigen verloren haben, und viele fragten sich, warum sie weitermachen sollen. «Man kämpft jeden Tag um das Leben... Und jetzt kommt diese Krankheit, und es fühlt sich plötzlich so an, als ob sich die Welt langsamer dreht», sagte er.

«Ich weiss, liebe Familien, man braucht keinen Gedenktag, um sich zu erinnern... Der heutige Tag ist für uns, damit wir – wenn auch nur für einen Augenblick – die Namen und Gesichter, das Leben und die Geschichten der Söhne und Töchter dieses Landes, Ihrer Lieben, die zu den unseren werden, kennen lernen können. Dieses Jahr können wir nicht gemeinsam weinen. Dieses Jahr können wir euch nicht in die Augen sehen», sagte der Präsident weiter.

Aber Israel wird sich an den unermesslichen Preis erinnern, der mit Menschenleben bezahlt wurde, damit Israel existiert, schwor Rivlin.

Offizielle englische Übersetzung von Präsident Rivlins Ansprache
(President Rivlin speaks at  official ceremony opening Memorial Day for the Fallen of Israel’s Wars and Victims of Terror)

Ansprache von Generalstabchef Kochavi

Im Anschluss an Rivlin bemerkte Generalstabschef Aviv Kochavi, dass es in der Zeit des Coronavirus schwierig sei, den Gedenktag zu begehen.

«Trauernde Familien, selbst jetzt, trotz der Entfernung, ist ganz Israel bei Ihnen, durch alle Arten von Medien. Jeder Mensch in seinem Haus hält inne, empfindet Mitgefühl, widmet Zeit dem Gedenken an Ihre Söhne und Töchter.

Dies sind komplizierte Zeiten, die durch die anhaltende Gefahr Sorgen und Besorgnis hervorrufen. Eine Zeit der Krise ist wie eine Zeit des Krieges, sie verdrängt das Triviale und Nebensächliche und lässt die wichtigen Dinge, die ethischen Dinge und die Heiligkeit des Lebens hervortreten», sagte Kochavi weiter.

In seiner Rede warnte Kohavi die Feinde Israels auch davor, dass das Militär da sein würde, um ihnen entgegenzutreten.

«Gegen Feinde und Armeen des Terrors, die nicht aufhören, den Bürgern des Staates Israel Schaden zuzufügen – die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte sind da: bereit, mächtig und aggressiv. Wir werden für jede Mission da sein, vorbereitet und entschlossen, und wir sehen den Sieg als den einzigen Weg, unser Ziel zu erreichen», warnte der Armeechef.

IDF Chief of the General Staff's Memorial Day Speech
On Israel's Memorial Day, IDF Chief of the General Staff Lieutenant General Aviv Kohavi addressed the families of fallen soldiers and the nation of Israel from the Western Wall Plaza in Jerusalem.
Video, Israel Defense Forces (IDF), 27.4.2020, 10:13 Min., englisch untertitelt

Den Schluss bildete das Singen der HaTikwa, der Landeshymne. Über die Fernsehübertragung wurde das Volk eingeladen, auf die Balkone zu treten und mitzusingen.

Israelis singen auf den Balkonen die HaTikwa
zusammen mit dem Chefkantor der Armee auf dem Platz vor der Westmauer.
Video, i24NEWS, 27.4.2020, 1:39 Min.

Gedenkzeremonie vor der Westmauer
Video, IDF, Montagabend, 27.4.2020, 1 Std., Ivrit

Am Jom HaSikaron-Tag wird das Gedenken um 11 Uhr durch einen erneuten Sirenenalarm, diesmal von zwei Minuten Dauer, eingeleitet. Die Menschen verharren erneut in schweigendem Stillstand, wo immer sie sich befinden (Bilder 2 und 3).

Besuch der Gräber nur vorher möglich

Zeremonien finden in der Regel auf den Militärfriedhöfen auf dem ganzen Lande statt. Aus Gründen der Corona-Prävention wurden dieses Jahr die Friedhöfe am Montagnachmittag um 16 Uhr, geschlossen, um Trauernde daran zu hindern, sie während des Gedenktages zu besuchen. Die Leute waren eingeladen worden, die Friedhöfe an den Tagen davor zu besuchen. Armeeangehörige verteilten den Besuchern Blumen und Wasser ab (Bild 4).

Am Gedenktag wurde die Polizei eingesetzt, um die Zufahrtsstrassen und die Eingänge zu den Soldatenfriedhöfen und Gedenkstätten zu sperren, aber die Beamten waren angewiesen, Besuchern von einem Besuch abzuraten, nicht aber Menschen physisch daran zu hindern, die Gräber ihrer Angehörigen zu erreichen, so sie das entgegen der Weisung wollten.

Jedes einzelne Grab war, wie jedes Jahr, zuvor von Armeeangehörigen mit einer kleinen Israel-Flagge mit einem schwarzen Band versehen worden (Bild 5).

Das folgende Video gibt einen Eindruck von Jom HaSikaron in «normalen» Zeiten.

Israel Memorial Day | fallen israeli soldiers victims terrorism idf Yom Hazikaron
Video, zig123ize, 1.5.2017, 2:43 Min.

Sondersitzung der Knesset

Die Knesset, das Parlament, kam zum Gedenken zu einer Sondersitzung zusammen. Sie begann mit dem Innehalten während des Sirenenalarms um 11 Uhr (Bild 6).

In seiner Ansprache sagte der Vorsitzende der Knesset, Benny Gantz: «Heute ist nicht wie jeder andere Jom HaSikaron. Diesmal werden die Friedhöfe leer bleiben, umgeben von der Stille des Todes unserer Lieben. Dieser Gedenktag ist besonders schwierig für die Hinterbliebenen.»

«Für uns als Führer ist dieser Tag auch eine Gelegenheit, uns daran zu erinnern, was die Mission ist, die uns leiten sollte. Was für eine schwere Verantwortung wir auf unseren Schultern tragen, und wir erinnern uns sehr gut daran, dass es manchmal keine andere Wahl gibt, als zu kämpfen, und dass wir immer nach einem Frieden streben müssen, der den nächsten Krieg verhindert. Erinnern wir uns an die Grundlage unserer Existenz hier – militärische Macht und moralische Stärke», sagte Benny Gantz vor dem Plenum.

«Wenn wir der ersten Verluste des Landes im Unabhängigkeitskrieg gedenken, wird uns klar, was geschehen wäre, wenn es den jüdischen Staat nicht gegeben hätte, und wenn wir uns daran erinnern, heiligen wir die Widerstandsfähigkeit der israelischen Gesellschaft; Widerstandsfähigkeit, die sich an den Opfern auf dem Schlachtfeld misst, aber auch an der Bildung, an der Toleranz für den anderen, am Verständnis für die Meinung des anderen, an der Liebe zum Vaterland und am Schutz der Demokratie, für die wir in diesem Haus unter anderem verantwortlich sind. Ehrlich gesagt, für mich ist dies der wichtigste Tag des Jahres.

Gerade weil der Tod diesen Tag ausfüllt, habe ich ein sehr gutes Verständnis für das Leben und die Pflicht, dass unser Leben hier etwas bedeutet; dass wir wissen, mit guten Absichten zu handeln, Verantwortung zu übernehmen, unsere Gesellschaft mit dem Geist des Gebens und der Fürsorge zu erfüllen und füreinander verantwortlich zu sein. In meinen Augen ist dies auch der letzte Wille der Gefallenen. Nur so werden wir ihrer würdig sein, möge ihr Andenken gesegnet sein.»

Offizielle Staatszeremonie auf dem Herzlberg

Die bedeutendste Gedenkveranstaltung findet jeweils auf dem Herzlberg (Har Herzl) in Jerusalem statt. Auf diesem Hügel befindet sich der National- und ein Militärfriedhof, benannt nach Theodor Herl, dem Begründer des modernen politischen Zionismus. Herzls Grab liegt auf der Spitze des Hügels (Bild 7). Die Staatszeremonie fand statt, jedoch ohne Publikum.

Videobotschaft des Ministerpräsidenten

In einer Videobotschaft zur Staatszeremonie auf dem Herzlberg sagte der geschäftsführende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Staat Israel und seine Armee seien ein bleibendes Zeugnis für die Entscheidung des jüdischen Volkes, sein Schicksal und seine Verteidigung nach Tausenden von Jahren der Hilflosigkeit selbst in die Hand zu nehmen.

Netanjahu sagte weiter, «die entschlossene Politik Israels gegenüber jenen, die uns schaden würden, verhindert neue Opfer». Und er gelobte, dass Israel «immer bereit sein wird, zu handeln, um Bedrohungen abzuwehren.»

Auch gelobte der Ministerpräsident, «weiterhin unermüdlich daran zu arbeiten, unsere Vermissten und unsere Gefangenen zurückzubringen». Er nannte ausdrücklich die beiden Israelis, die von der Hamas-Terrorgruppe in Gaza festgehalten werden, Avera Mengistu und Hisham Al-Sayed, sowie die Leichen von zwei Soldaten, die seit 2014 ebenfalls von der Gruppe zurückgehalten werden, Oron Shaul und Hadar Goldin.

Die Staatszeremonie auf dem Herzlberg wurde ebenfalls live übertragen und endete mit einem kurzen Überflug durch Jets der Luftwaffe, wobei ein Flugzeug symbolisch in der Formation fehlte.

Staatszeremonie auf dem Herzlberg
Video, 32 Minuten

Ende des Gedenktages

Jom HaSikaron ging am Abend mit dem Sonnenuntergang zu Ende und wäre normalerweise in die Feierlichkeiten des Jom HaAtzma’ut (Tag der Unabhängigkeit; Nationalfeiertag Israels) auf dem Herzlberg übergegangen, die jedoch ebenfalls vorwiegend nicht analog sondern virtuell stattfinden werden.

Die während 24 Stunden auf halbmast gesetzten Israel-Flaggen wurden wieder an die Spitze der Fahnenstangen gehisst.

Bildergalerie zu Jom HaSikaron 2020
(Remembering the fallen: Israelis mark a Memorial Day like no other)
Photoessay, The Times of Israel

(RK)

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 2: Präsident Reuven Rivlin und Personal der Residenz des Staatsoberhaupts während des Sirenenalarms (28.4.2020, GPO)

Bild 3: Das medizinische Personal des Schaare Zedek-Spitals in Jerusalem während des Sirenenalarms (28.4.2020, Shaare Zedek Medical Center)

Bild 4: Armeeangehörige gaben den Friedhofsbesuchern Blumen und Wasser ab.

Bild 5: Im Hinblick auf Jom HaSikaron wird jedes Soldatengrab mit einer Israel-Flagge geschmückt.

Bild 6: Die Mitglieder der Knesset halten zu Beginn einer Sondersitzung inne, während die Sirenen im ganzen Land während zwei Minuten heulen (Knesset).

Bild 7: Das Grab Theodor Herlzs auf dem Herzlberg in Jerusalem, ein schlichter schwarzer Granitstein.

Bild 8: Nationale Eröffnungszeremonie vor der Westmauer in Jerusalem (27.4.2020; Video screenshot)

Bild 9: Präsident Reuven Rivlin (rechts) und die Armeespitze bei der nationalen Eröffnungszeremonie auf dem Platz vor der Westmauer (27.4.2020, GPO)