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Offizielle Zeremonie zum Internationalen Holocaust-Gedenktag 2020 in Bern

Auch in der Schweiz wurde am 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz der Opfer der Schoah gedacht. Im Berner Konservatorium fanden sich am Montag, 27. Januar, mehrere hundert Personen zu einer eindrücklichen Feier ein.

Die Gedenkfeier wurde durch die diplomatischen Vertretungen der Mitgliedsländer der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), gemeinsam mit dem Dokumentationsdienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), der Gamaraal-Stiftung und der Carl Lutz-Gesellschaft veranstaltet. Koordiniert wurde die Organisation von der israelischen zusammen mit der luxemburgischen Botschaft, da Luxembourg aktuell den Vorsitz der IHRA innehat.

Nach einleitenden Worten von Michael Kohn, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Bern, erinnerte Jacob Keidar, Botschafter des Staates Israel für die Schweiz und Liechtenstein, in seiner Eröffnungsansprache daran, dass viele Millionen Menschen Opfer der Nazis wurden, die Juden aber das einzige Volk waren, welches das Nazi-Regime und seine Kollaborateure in seiner Gesamtheit zu vernichten trachteten.

Keidar verknüpfte Erinnern und Lernen: «Gedenken wir gemeinsam aller Holocaust-Opfer, um unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen, an dem die Menschen einander respektieren, in Zeiten der Not eine helfende Hand ausstrecken und in Frieden leben.»

Der Botschafter der USA in der Schweiz, Edward T. McMullen Jr. hielt fest: «Wir ehren heute die Toten, umarmen die Lebenden und feiern diejenigen, die angesichts der Gräueltaten so mutig waren».

Diplomaten als Beschützer jüdischer Menschen während der Verfolgung

Polens Botschafter Jakub Kumoch erinnerte an die zahlreichen Menschen namentlich im diplomatischen Dienst, die Jüdinnen und Juden vor den Nazis schützten und ihnen so das Leben retteten. Er nannte seinen Vorgänger in jener Zeit, Aleksander Lados, der seinen damaligen Mitarbeiter Juliusz Kühl schützte, welche während der Kriegszeit mit dem Nuntius Filippo Bernardini, dem Konsularbeamten von El Salvador, Georges Mantello, und mit Berner Anwälten zusammenarbeitete. Mit gefälschten Pässen, Visa und Schutzbriefen retteten sie Tausende von Menschen, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Vizekonsul Carl Lutz in Budapest.

2020 sind es 125 Jahre seit der Geburt des Schweizer Diplomaten und Gerechten unter den Völkern, Carl Lutz. Seine Stieftochter, Agnes Hirschi, bezeugte die Taten ihres Stiefvaters während des Holocausts. Danach lasen Schweizer Oberstufenabsolventen Ihre Briefe an Frau Hirschi vor, in denen Sie Gedanken zu Ihrem kürzlichen Vortrag an der Kreisschule Mittelgösgen ausdrückten.

Deutschlands Botschafter Norbert Riedel versprach, Deutschland sei sich seiner historischen Verantwortung bewusst und werde alles daran setzen, dass der Antisemitismus nicht mehr Fuss fassen kann. Insbesondere in seinem bevorstehenden Jahr des IHRA-Präsidiums werde Deutschland Jugendliche dafür sensibilisieren, dass sich etwas Ähnliches nie mehr ereignen darf.

«Für Gerechtigkeit ist es nie zu spät», hatte US-Botschafter Edward T. McMullen Jr. festgehalten. So würden die USA Massnahmen ergreifen, Antisemitismus zu bekämpfen, die Sicherheit der jüdischen Gemeinden zu gewährleisten, Hassverbrechen zu verfolgen, schulische Bildung über den Holocaust zu fördern und Hassreden entgegenzutreten. Letztlich gehe es auch um die Verteidigung der Religionsfreiheit als universelles Menschenrecht.

«Man muss der Vergangenheit in die Augen schauen, auch wenn es schmerzhaft ist», sagte Luxemburgs Botschafter Jean-Claude Meyer. Die Regierung und das Parlament Luxemburgs haben vor fünf Jahren die jüdische Gemeinde um Entschuldigung gebeten «für das erlittene Unrecht und für das Verhalten einiger Vertreter der öffentlichen Gewalt».

Die Stimme der Schweiz

Nationalratspräsidentin Isabelle Moret ergriff das Wort im Namen der Eidgenossenschaft, um zu sagen, wie wichtig die Erinnerung an jene Zeit und damit dieser Gedenktag sei. «Wir sind heute hier versammelt, um an die dunkle Zeit in Europa zu erinnern. Wir dürfen sie nie vergessen, denn sie ist nie sehr weit weg. In jedem von uns gibt es eine Stimme, die schweigt, wenn wir sie erheben sollten.» Den längsten Teil ihrer Rede widmete sie Carl Lutz. Sie lobte die Methoden, die er «mit unerschütterlicher Entschlossenheit» anwandte, um mit Schutzbriefen und unter Immunität stehenden Gebäuden Zehntausenden Juden das Überleben ermöglichte. An Lutz’ Stieftochter Agnes Hirschi richtete sie sich mit den Worten: «Es kommt nicht jeden Tag vor, dass wir uns zwischen Menschlichkeit und bequemem Schweigen entscheiden müssen. Aber wenn dieser Tag kommt, wird die Erinnerung an Ihren Stiefvater uns hoffentlich wie ein Leuchtturm durch die Nacht leiten.»

Ein selbstkritischer Satz der Nationalratspräsidentin zur damaligen judenfeindlichen Politik der Schweiz wurde allerdings vermisst. Es oblag der SIG-Vizepräsidentin Sabine Simkhovitch-Dreyfus, in ihrer Ansprache daran zu erinnern, dass es ein halbes Jahrhundert dauerte bis die Schweiz ihren heute gefeierten Helden Carl Lutz rehabilitierte.

Drei Schweizer Holocaust-Überlebende trugen auf unterschiedliche Weise zur Gedenkzeremonie bei. In einem Film erzählte Frau Germaine Goldberg über ihre Flucht von Luxemburg in die Schweiz, um der Massenvernichtung der Juden während des Zweiten Weltkriegs zu entgehen.

Der Holocaust-Überlebende Mark Varshavsky umrahmte die Veranstaltung mit klassischen, von der jüdischen Volksmusik inspirierten Cello-Stücken. Rabbiner Michael Kohn schloss die Gedenkfeier mit dem Kaddisch-Gebet.
(RK)

Quellen: Botschaft des Staates Israel in der Schweiz / tachles, 31.1.2020

Programm der Gedenkfeier

Fotogalerie der Gedenkfeier

Holocaust / Schoah (Wikipedia)

Internationale Allianz zum Holocaustgedenken (Wikipedia)