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Wahlen zur 24. Knesset

Am Dienstag, 23. März, wählte Israel zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren ein neues Parlament, die 24. Knesset. Rund 6,5 Millionen Wahlberechtigte der gut 9,3 Millionen Einwohner waren zu den Urnen gerufen. 13'685 Wahlurnen standen über das ganze Land verteilt bereit.

So funktionieren die Wahlen zur Knesset

Video, 23. 3. 2021, 3:12 Min., englisch, deutsch untertitelt

 

Mittwoch, 24.3.2021

Am Morgen nach der Wahl
(Wahl in Israel: Netanjahu steht vor schwerer Regierungsbildung)
Video, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.3.2021, 1:55 Min., deutsch

Gleich anschliessend:
Eine Wahl zu Zeiten der Pandemie
(«Wahl in Israel gilt als Referendum über Netanjahu»)
Video, AFP Deutschland, 23.3.2021, 2:10 Min., deutsch

 

Wahlergebnisse nicht vor Freitag

Die Ergebnisse der Parlamentswahl sind nach Angaben der Vorsitzenden des Zentralen Wahlkomitees nicht vor übermorgen Freitag zu erwarten. Nach Beginn der Abstimmung am Dienstag hiess es, man werde die Ergebnisse sehr gründlich prüfen. «All dies braucht Zeit, deswegen werden die Ergebnisse in der Nacht nur langsam einlaufen.».

Die Auszählung der sogenannten doppelten Umschläge mit Stimmen von Soldaten, im Ausland stationierten Diplomaten, Häftlingen und Corona-Kranken solle erst am Mittwochabend beginnen.

Die Zahl dieser Umschläge, die bei der Wahl vor einem Jahr noch 333.000 betragen hatte, dürfte sich diesmal fast verdoppeln. Dies entspreche etwa 15 der 120 Mandate im Parlament, hiess es. Weil mehrere Parteien an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern könnten, könne dies das Gesamtbild deutlich verändern. Das amtliche Endergebnis soll acht Tage nach der Wahl veröffentlicht werden.

Provisorische Sitzverteilung

Die Zeitung Israel Hayom publizierte eine provisorische Sitzverteilung

  • nach Parteien (Stand: 17.43 Uhr) bei 88 Prozent ausgezählten Stimmen. Siehe Grafik 6, und
  • nach politischen Blöcken. Für eine handlungsfähige Regierungskoalition werden 61 der 120 Sitze benötigt. Siehe Grafik 7.

 

Dienstag, 23.3.2021

Tag der Wahl – Tag der Demokratie

Der Tag der Wahlen ist in Israel ein arbeitsfreier Tag, damit wirklich auch jede Bürgerin und jeder Bürger vom demokratischen Recht Gebrauch machen kann.

Die meisten Wahllokale (Bild 10) sind von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet. Mit Schliessung der Wahllokale werden erste Prognosen veröffentlicht. Wegen der Corona-Krise gelten besondere Sicherheitsregeln.

Allerdings kann dieser freie Tag mitten in der Woche auch dazu verführen, einen Ausflug mit der Familie zu machen, statt an die Urne zu gehen. Auch das Wetter lädt dazu ein. In Jerusalem werden 28 Grad erwartet, in Tel Aviv 29, in Tiberias am See Genezareth und in Eilat am Roten Meer 32 Grad.

Umfangreiche Vorbereitungen

Die Wahl zur 24. Knesset stellt, ähnlich wie die drei vorangegangenen in den letzten zwei Jahren, das Zentrale Wahlkomitee (CEC) vor viele Herausforderungen, vor allem wegen der Coronavirus, von dem einige Experten befürchten, dass es zu einem Anstieg kommen könnte. Das Komitee hat sich auf diese Runde, wie auch auf die vorherigen im Jahr 2020, wiederum intensiv vorbereitet.

Die 6.578.084 Wahlberechtigten können in 12.127 Wahllokalen im ganzen Land ihre Stimme für eine der 39 Parteien (Bilder 8 und 9) abgeben, die für die Knesset kandidieren.

124.829 Israelis sind zum ersten Mal wahlberechtigt, was einen Anstieg von 1,9 % gegenüber den vorherigen Wahlen bedeutet.

Häftlinge können in 61 Wahllokalen in Gefängnissen wählen, Patienten an 309 in Krankenhäusern aufgestellten Wahlurnen. Etwa 340 Wahlstellen stehen COVID-Patienten zur Verfügung und weitere 420 sind Israelis in Quarantäne vorbehalten.

Die Stimmzettel, die von israelischen Vertretern in 99 diplomatischen Vertretungen rund um den Globus abgegeben wurden, sind bereits im Land angekommen.

Israels Polizei hat 20.000 Beamte und ergänzendeSicherheitskräfte eingesetzt, um die Ruhe zu wahren und einen demokratischen Ablauf des Wahltages zu gewährleisten.

«Vote and go»-Stationen für Kranke und Isolierte

Besondere Vorkehrungen sind getroffen worden für Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind oder sich in Isolation befinden. Über das ganze Land verteilt wurden 500 Zelte aufgestellt.

Die etwa 12'000 bestätigten Fälle werden in speziellen Taxis dorthin gefahren, die mit Plexiglas-Abtrennungen zwischen dem Fahrer und den Passagieren auf dem Rücksitz ausgerüstet sind. Die Fahrtkosten werden vom Zentralen Wahlkomitee übernommen.

Die etwa 39‘000 Menschen in Isolation dürfen mit ihren eigenen Personenwagen zu einer «Vote and go»-Station (wählen und [wieder] gehen) fahren. Wer kein Auto besitzt kann ein vom CEC finanziertes Taxi bestellen.

Drohnen überwachen Wahllokale

Das Zentrale Wahlkomitee hat Drohnen angemietet, um die Verkehrssituation an den «Vote and go»-Stationen im Auge zu behalten. Wenn ein Wahllokal überfüllt ist und die Leute zu lange in einer Schlange warten müssen, können die Beamten die ankommenden Wähler zu anderen Wahllokalen umleiten.

Wahllokale am Ben-Gurion-Flughafen

Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes werden vier Wahllokale an Israels wichtigstem internationalen Drehkreuz in Betrieb genommen, um Israelis, die aus dem Ausland ankommen, die Möglichkeit zur Wahl zu geben. Die Stationen werden vor der Grenzkontrolle platziert. Israelis, die aus dem Ausland ankommen, müssen sich zudem einer Untersuchung des Gesundheitsministeriums unterziehen, einen COVID-19-Test machen und in die Isolation gehen, wenn sie nicht zweimal geimpft worden sind.

Auszählen der Stimmen

Aufgrund der starken Zunahme von Doppelumschlägen hat der Zentrale Wahlausschuss rund 6.500 Stimmenzähler eingestellt.

Für das Auszählen gilt ein enger Zeitplan: Das CEC muss die Auszählung der Stimmen und die Berechnung der Mandatsverteilung bis zum Beginn des Schabbats am Freitagabend abschliessen. Mit anderen Worten: Vom Schliessen der Wahllokale am Dienstag um 22 Uhr bis Freitagabend bleiben weniger als drei Tage. Das ist eine schwierige Aufgabe, vor allem wegen der vielen doppelten Briefumschläge, deren Auszählung länger dauert.

Quorum für den Einzug ins Parlament

Eine Partei benötigt rund 140.000 Stimmen, nämlich 3,25 Prozent der Stimmen, was vier Sitzen in der Knesset entspricht, um die Wahlhürde zu überwinden, weshalb die Mehrheit der Parteien den Einzug ins Parlament erwartungsgemäss nicht schaffen werden.

Der Hauptkampf findet zwischen dem Rechtsblock, angeführt von Premierminister Benjamin Netanjyahu und seiner Likud-Partei, und dem Mitte-Links-Block, angeführt von Jair Lapid, seiner Jesch Atid-Partei, und einigen anderen Anti-Netanjahu-Parteien statt.

Israel wählt zum vierten Mal, nachdem Netanjahu und der blau-weiße Vorsitzende der Partei Blau-Weiss, Benny Gantz, eine Regierung gebildet hatten, die nach nur wenigen Monaten zusammenbrach.

Nach einem weiteren aussergewöhnlich harten Wahlkampf, der sich in erster Linie auf die Kandidaten konzentrierte und nicht auf die anstehenden Fragen, wird Israel wieder den Atem anhalten in Erwartung der «Exit Polls», die um 22 Uhr Ortszeit veröffentlicht werden sollen.

Ein entscheidender Faktor wird die Wahlbeteiligung sein, da mehrere Parteien an der Wahlhürde scheitern werden. Nach Angaben des Forschungs- und Informationszentrums der Knesset ist die Wahlbeteiligung in den letzten drei Wahlkämpfen um insgesamt 3% gestiegen: 68,5% waren es bei den 21. Knesset-Wahlen, 69,8% bei den 22. Knesset-Wahlen und 71,5% bei den 23. Knesset-Wahlen. Die Wahlbeteiligung in den arabischen Gemeinden war höher.

Die tatsächlichen Ergebnisse könnten sich verzögern, da viele Stimmen von Corona-Patienten und anderen in doppelten Umschlägen abgegeben wurden, die separat ausgezählt werden und mehr Zeit benötigen.

Der Staatspräsident wählt

Präsident Reuven Rivlin gab in der Nefe Yof Schule in Jerusalem seine Stimme ab (Bild 3 / Video). Anschliessend stattete er dem zentralen Wahlkomitee in der Knesset einen Besuch ab (Bilder 4 und 5). Dabei sagte er: «Mit allen Schwierigkeiten der momentanen Situation sind die Wahlen zur Knesset doch das höchste Gut unserer Demokratie. Vier Wahlen in zwei Jahren zermürben das öffentliche Vertrauen in den Prozess, doch lediglich Sie können ihn beeinflussen. Es gibt keinen anderen Weg.» Er gebe an diesem Tag seine Stimme als Präsident ab, «doch vor allem als besorgter Bürger. Als sehr besorgter …»

Was nach den Wahlen folgt

Das Büro von Staatspräsident Reuven «Ruvi» Rivlin (Bild 2) informiert wie folgt über das weitere Prozedere.

Nachdem die Wahlergebnisse offiziell und endgültig sind, werden sie dem Präsidenten durch den Vorsitzenden des Zentralen Wahlausschusses (Central Elections Committee), Uzi Vogelman (in Israel «Fogelman» geschrieben), Richter des Obersten Gerichtshofs, vorgelegt, wie es das Grundgesetz («Basic Law») vorsieht.

Dies wird voraussichtlich am Mittwoch, 31. März, geschehen. Der Präsident hat dann sieben Tage Zeit, um die Parteien zu konsultieren, eine Entscheidung zu treffen und einem Knesset-Mitglied spätestens am Mittwoch, 7. April 2021, die Bildung einer Regierung anzuvertrauen. Dies kann jedoch bereits vor Ablauf dieses Zeitraums erfolgen.

Das vom Präsidenten mit der Regierungsbildung beauftragte Knesset-Mitglied hat 28 Tage Zeit, dies zu tun. Der Präsident kann, falls erforderlich, diese Frist um bis zu 14 Tage verlängern.

Kann innerhalb der Frist keine Regierung gebildet werden oder verweigert das Parlament einer vorgeschlagenen Regierung das Vertrauen, hat der Präsident zwei Möglichkeiten, von denen er eine innerhalb von drei Tagen ergreifen muss. Er kann

  • ein anderes Knesset-Mitglied, das ihn informiert hat, dass es bereit ist, die Aufgabe der Regierungsbildung zu übernehmen, mit dieser Aufgabe betrauen. Dieses Mitglied der Knesset hat dann 28 Tage Zeit, um eine Regierung zu bilden.
  • den Sprecher («speaker») genannte Vorsitzenden der Knesset darüber informieren, dass er keine Möglichkeit zur Regierungsbildung sieht.

Falls

  • eine von einem anderen Knesset-Mitglied (gemäss Ziff. 1) vorgeschlagene Regierung ebenfalls die Vertrauensabstimmung der Knesset nicht besteht, oder
  • das mit der Regierungsbildung beauftragte Knesset-Mitglied ebenfalls keine Regierung zu bilden vermag, oder
  • der Präsident den Knesset-Sprecher informieren muss, dass er keine Möglichkeit zu einer Regierungsbildung sieht,

kann eine Mehrheit von 61 (der 120) Knesset-Mitglieder schriftlich und innerhalb von 21 Tagen einen Antrag an den Präsidenten stellen, ein anderes Mitglied der Knesset ihrer Wahl, welches schriftlich zugestimmt hat, mit der Aufgabe der Regierungsbildung zu betrauen.

Bei Scheitern erneute Wahlen
In diesem Falle muss der Präsident dem nominierten Mitglied der Knesset innerhalb von zwei Tagen die Bildung einer Regierung anvertrauen. Es hat dann 14 Tage dazu Zeit.

Sollte sich keine Knesset-Mehrheit finden, die den Antrag auf Beauftragung eines Parlamentariers mit der Regierungsbildung stellt, wird die Knesset aufgelöst und es wird Neuwahlen geben.


 

Redaktion: Rolf Koch, Vizepräsident und Webmaster GSI

Bild 2: Reuven Rivlin, der 10. Staatspräsident Israels, im Amt seit dem 24. Juli 2014. Seine Amtszeit läuft am 24. Juli 2021 ab (Regierungs-Pressedienst GPO)

Bild 3: Präsident Reuven Rivlin wählt (Tweet Reuven Rivlin)

Bild 4: Präsident Rivlin (r.) begrüsst Uzi Vogel, den Vorsitzenden des Zentralen Wahlkomitees und die beratende CEO Orly Ades (Tweet Reuven Rivlin)

Bild 5: Präsident Rivlin besucht das Zentrale Wahlkomitee (Tweet Reuven Rivlin)

Grafik 6: Provisorische Sitzverteilung; Stand 24.3.2021, 17.43 Uhr, 88 % ausgezählt (Israel Hayom)

Grafik 7: Provisorische Sitzverteilung nach politischen Blöcken; Stand 24.3.2021, 17.43 Uhr, 88 % ausgezählt (Israel Hayom)

Bild 8: Die Listen der 39 Parteien, die sich zur Wahl zur 24. Knesset stellen (23.3.2021, The Jerusalem Post)

Bild 9: Wer die Wahl hat, hat hier auch die Qual. Die Listen von 39 Parteien stehen zur Auswahl (Israel Hayom)

Bild 10: Wahllokal