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Einhaltung der Kinderrechte im israelisch-palästinensischen Konflikt

In der Frühlingssession der Eidgenössischen Räte reichte Nationalrätin Brigitte Crottaz (SP/VD) eine Frage ein mit dem Titel «Wie kann man die Einhaltung der Kinderrechte im israelisch-palästinensischen Konflikt gewährleisten?».

Es geht der Fragestellerin nicht etwa um die Instrumentalisierung palästinensischer Kinder für den Krieg gegen Israel, nicht um deren antisemitische Indoktrination, nicht um den Missbrauch von Minderjährigen als «menschliche Schutzschilde», nicht um ihre militärische Ausbildung zu Terroristen. Nationalrätin Crottaz wollte vom Bundesrat wissen, ob er sich bewusst sei, dass «Hunderte» palästinensische Kinder von den israelischen Behörden «ins Gefängnis gesteckt werden, oft nur weil sie Steine geworfen haben», und was er zur Einhaltung der Menschenrechte unternehme (Link zur Frage siehe weiter unten).

Die Antwort des Bundesrates liegt nur in französischer Sprache vor. Hier die deutsche Übersetzung:

«Der Bundesrat ist sich der Menschenrechtslage in den besetzten palästinensi-schen Gebieten bewusst und besorgt über die Situation der Menschenrechte, einschliesslich der Situation der palästinensischen Kinder in israelischen Mili-tärgefängnissen. Sowohl im bilateralen Austausch mit den israelischen Behör-den als auch auf multilateraler Ebene wird regelmässig auf die Bedeutung der Achtung der Rechte des Kindes und der Verpflichtungen hingewiesen, die sich insbesondere aus dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes ergeben. Darüber hinaus unterstützt die Schweiz in Ostjerusalem ein von UNICEF und lokalen Partnern durchgeführtes Programm zum Schutz und zur Unterstützung palästinensischer Kinder, die Opfer willkürlicher Verhaftungen sind.»

20.5127, Frage von NR Brigitte Crottaz und schriftliche Antwort des Bundesrates

Die Formulierung der Frage mit den unbelegten Anschuldigungen lässt die Frage aufkommen, ob die Parlamentarierin in aufrichtiger Sorge um die palästinensischen Kinder getrieben oder antiisraelische Propaganda der Zweck der Frage ist.

Stellungnahme der Botschaft des Staates Israel in der Schweiz

Die Frage und namentlich die darin enthaltenen Anschuldigungen der Parlamentarierin sowie die Antwort des Bundesrates haben die israelische Botschaft in der Schweiz veranlasst, dazu Hintergrundinformationen zu geben und die Angelegenheit zu kommentieren.

Die Botschaft hält einleitend fest, dass Israel in Übereinstimmung mit dem allgemeinen internationalen Konsens der Auffassung ist, dass Minderjährige nicht in bewaffnete Konflikte oder andere Gewalt verwickelt werden sollten. Israel bedauert, dass die palästinensischen Führer und ihre Gesellschaft die palästinensische Jugend zu Terrorakten und zur Teilnahme an gewalttätigen Ausschreitungen ermutigt.

Israel führt die Beteiligung einer so grossen Zahl von Minderjährigen an terroristischen Aktivitäten hauptsächlich auf die intensive Aufstachelung zu Hass und Gewalt zurück, die in palästinensischen Schulen, bei Jugend- und Kulturaktivitäten, in den sozialen und in anderen palästinensischen Medien, einschliesslich offizieller Quellen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), vermittelt wird. Diese tief verwurzelte Aufwiegelung führe dazu, dass viele Angriffe von palästinensischen Minderjährigen verübt werden, darunter das Werfen von Steinen und Molotow-Cocktails gegen israelische Zivilisten (einschliesslich Kinder) und Sicherheitskräfte, Messerstechereien, Ramm-Anschläge und Schiessereien. Viele dieser Angriffe würden zur Tötung israelischer Zivilisten führen.

Angesichts all dieser Herausforderungen seien die israelischen Behörden verpflichtet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Westjordanland zu gewährleisten. Dabei unternehme Israel alle Anstrengungen, um die Rechte von Minderjährigen zu schützen, die verhaftet oder wegen Straftaten verurteilt worden sind.

Als Ergebnis einer Reform der Politik gegen Minderjährige aus dem Jahre 2008 sei die Alterslimite für Minderjährigkeit auf 18 Jahre angehoben worden und Straftaten würden vor einem Jugendmilitärgericht abgehalten, um zwei Punkte der Reform zu erwähnen.

Anmerkungen der Regierung Israels zu den Behauptungen von Nationalrätin Brigitte Crottaz

Die israelische Botschaft gibt ihrem am 2. April veröffentlichen Dokument die Stellungnahme der israelischen Regierung zu den in den Fragen der Nationalrätin enthaltenen Behauptungen bekannt.

Hier eine stichwortartige Zusammenfassung (von der Fragestellerin vorgebrachte Punkte in Kursivschrift):

  • «Hunderte» palästinensische Kinder
    Stand 20. Januar 2020 waren 131 minderjährige Gefangene in Untersuchungshaft und weitere 55 im Vollzug einer Freiheitsstrafe nach einem Gerichtsurteil umfassen.
  • Kinder seien inhaftiert «oft nur weil sie Steine geworfen haben»
    Steinwürfe können zu Verletzungen oder gar zum Tod von Menschen führen.
  • Palästinensische Minderjährige seien ohne Anwalt inhaftiert
    Unwahr; alle Minderjährigen, die strafrechtlich verfolgt werden, werden von einem Anwalt vertreten.
  • Palästinensische Minderjährige seien ohne medizinische Hilfe inhaftiert
    Minderjährige haben Anspruch auf volle medizinische Versorgung.
  • Minderjährige seien ohne Unterstützung der Eltern
    Sie haben Anspruch auf Besuche; Eltern werden häufig ermutigt, die Gerichtsverhandlung zu besuchen.
  • Einige Inhaftierte seien 10 bis 12 Jahre alt
    Alter der Strafmündigkeit im Westjordanland beträgt 12 Jahre. Es sind keine Fälle von Festnahmen von Minderjährigen unter dem Alter der Strafmündigkeit bekannt.
  • Inhaftierte palästinensische Minderjährige würden Monate ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis verbringen.
    Es wird zwischen administrativem Arrest und Festnahme bis zum Ende des Verfahrens unterschieden. Details siehe Stellungnahme der Botschaft.
  • Die meisten palästinensischen Kinder würden unter ernsthaften psychischen Problemen leiden.
    Dies ist eine allgemeine Aussage, die sich auf keinerlei Beweise oder Belege stützt. Gefängniseinrichtungen bieten bei Bedarf psychologische Unterstützungsdienste an, auf jeden Fall im Zusammenhang mit Minderjährigen.

 

Zur Haft von palästinensischen Minderjährigen
Stellungnahme der Botschaft des Staates Israel in der Schweiz

 

Nachtrag vom 23. April 2020

Warum sich Israel über die Schweiz ärgert
Swissinfo, 23.4.2020, mit einer Stellungnahme des Zentralsekretärs der Gesellschaft Schweiz-Israel
Dieser Eintrag enthält auch die Sendung «Vom alten Judenhass zum neuen Antisemitismus» vom 10.3.2019 aus der Reihe «Sternstunde Religion» von Fernsehen SRF

Nachtrag vom 1.5.2020

«Es ist wichtig, zwischen Antisemitismus und Antizionismus zu unterscheiden»
Swissinfo, 30.4.2020
Interview mit Rebekka Wyler, Co-Generalsekretärin der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP). Sie, nimmt Stellung zur Position ihrer Partei zum Israel-Palästina-Konflikt.

(RK)